Das Jahr 2025 markiert einen weiteren wichtigen Meilenstein in der unternehmerischen Verantwortung: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), oft als Lieferkettengesetz bezeichnet, tritt in eine neue, verschärfte Phase ein – nennen wir es „Lieferkettengesetz 2.0“. Nachdem die erste Stufe des Gesetzes bereits viele deutsche Unternehmen dazu verpflichtet hat, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten zu verankern, bringt die Novellierung für 2025 signifikante Änderungen mit sich. Diese Neuerungen zielen darauf ab, die Wirksamkeit des Gesetzes zu erhöhen, den Anwendungsbereich zu erweitern und die Transparenz weiter zu steigern. Für deutsche Unternehmen, ob bereits vom LkSG betroffen oder neu im Fokus, bedeutet dies: Es ist höchste Zeit, die eigenen Prozesse zu überprüfen und sich intensiv auf die kommenden Anforderungen vorzubereiten. Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen Änderungen des Lieferkettengesetzes 2.0 und bietet einen praktischen Fahrplan für Ihre Vorbereitung.
Rückblick: Das Fundament – Was das ursprüngliche LkSG forderte
Um die Tragweite der Neuerungen für 2025 zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf die Kernanforderungen des ursprünglichen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hilfreich. Seit seinem Inkrafttreten verpflichtete das LkSG Unternehmen ab einer bestimmten Größe (zunächst ab 3.000, dann ab 1.000 Mitarbeitenden in Deutschland) dazu, in ihren Lieferketten auf die Einhaltung international anerkannter Menschenrechte und bestimmter Umweltstandards hinzuwirken.
Zu den zentralen Sorgfaltspflichten gehörten:
Einrichtung eines Risikomanagementsystems: Um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren Zulieferern zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten.
Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit: Klare Verantwortlichkeiten für die Überwachung des Risikomanagements.
Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen: Sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch bei unmittelbaren Zulieferern.
Verabschiedung einer Grundsatzerklärung: Zur Achtung der Menschenrechte.
Verankerung von Präventionsmaßnahmen: Im eigenen Geschäftsbereich (z.B. Schulungen, Anpassung von Einkaufspraktiken) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (z.B. vertragliche Zusicherungen, Überprüfung von Verhaltenskodizes).
Ergreifen von Abhilfemaßnahmen: Bei festgestellten Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern.
Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens: Das es Betroffenen ermöglicht, auf Risiken oder Verletzungen hinzuweisen.
Dokumentation und Berichterstattung: Jährliche öffentliche Berichterstattung über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Obwohl der Fokus primär auf dem eigenen Geschäftsbereich und den direkten Zulieferern lag, mussten Unternehmen bei substantiierter Kenntnis von möglichen Verletzungen auch bei mittelbaren Zulieferern tätig werden.
Die Neuerungen im „Lieferkettengesetz 2.0“ – Was ändert sich 2025 konkret?
Mit dem „Lieferkettengesetz 2.0“ werden die Zügel im Jahr 2025 spürbar angezogen. Die (hier für den Artikel angenommenen) Änderungen zielen darauf ab, Lücken zu schließen, die Anforderungen zu präzisieren und die Verbindlichkeit zu erhöhen. Unternehmen müssen sich auf folgende zentrale Neuerungen einstellen:
Erweiterter Anwendungsbereich: Mehr Unternehmen in der Pflicht
Eine der signifikantesten Änderungen betrifft die Größenschwellen für die Anwendbarkeit des Gesetzes. Um eine breitere Wirkung zu erzielen und auch kleinere Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen, die Teil globaler Lieferketten sind, wird der Schwellenwert für die Mitarbeiterzahl voraussichtlich weiter abgesenkt.
Mögliche Absenkung: Es wird erwartet, dass Unternehmen bereits ab 500 Mitarbeitenden in Deutschland unter das LkSG 2.0 fallen könnten. Dies würde die Zahl der betroffenen Unternehmen erheblich steigern, insbesondere im Mittelstand.
Branchenspezifische Betrachtungen: Es ist ebenfalls denkbar, dass für bestimmte Hochrisikosektoren (z.B. Textil, Elektronik, Rohstoffabbau) unabhängig von der Mitarbeiterzahl spezifische Kriterien für die Anwendbarkeit eingeführt oder verschärft werden.
Verschärfte Sorgfaltspflichten: Tiefergehender Blick in die Kette
Das LkSG 2.0 wird voraussichtlich eine intensivere Auseinandersetzung mit der gesamten Lieferkette fordern, insbesondere im Hinblick auf mittelbare Zulieferer und spezifische Risikobereiche.
Verstärkte Pflichten bei mittelbaren Zulieferern: Während bisher eine substantiierte Kenntnis erforderlich war, um bei mittelbaren Zulieferern aktiv zu werden, könnte das LkSG 2.0 anlassunabhängige, risikobasierte Prüfungen auch in tieferen Ebenen der Lieferkette fordern, insbesondere bei identifizierten Hochrisikobereichen.
Erweiterung der geschützten Rechtsgüter: Neben den bereits abgedeckten Menschenrechten und Umweltbelangen könnten neue, spezifischere Aspekte hinzukommen. Denkbar ist eine explizitere Nennung und stärkere Gewichtung von Klimaschutzaspekten (z.B. CO2-Emissionen in der Lieferkette) oder der Schutz der Biodiversität. Auch spezifische Arbeitsrechte, wie das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, könnten noch stärker betont werden.
Verpflichtende Nutzung spezifischer Risikotools oder -methoden: Um die Vergleichbarkeit und Qualität der Risikoanalysen zu erhöhen, könnten Vorgaben zur Methodik oder zur Nutzung bestimmter Datenbanken (z.B. für Länderrisiken) gemacht werden.
Konkretisierte Berichtspflichten: Mehr Transparenz gefordert
Die Transparenz durch Berichterstattung ist ein Kernstück des LkSG. Mit der Version 2.0 ist mit einer Ausweitung und Detaillierung der Berichtspflichten zu rechnen.
Detailliertere Offenlegung: Unternehmen müssen voraussichtlich noch genauer darlegen, wie sie ihre Risikoanalysen durchgeführt haben, welche konkreten Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergriffen wurden und wie deren Wirksamkeit bewertet wird.
Einführung von Key Performance Indicators (KPIs): Es könnten verpflichtende KPIs zur Messung der Sorgfaltspflichterfüllung eingeführt werden, um die Fortschritte und die Effektivität der Maßnahmen vergleichbarer zu machen.
Verpflichtung zu bestimmten Berichtsstandards oder -formaten: Um die Lesbarkeit und Vergleichbarkeit der Berichte zu verbessern, könnte die Nutzung anerkannter internationaler Rahmenwerke (z.B. UN Guiding Principles Reporting Framework) oder spezifischer digitaler Formate stärker in den Fokus rücken.
Verkürzte Berichtsfristen: Eventuell müssen Berichte zukünftig schneller nach Ende des Geschäftsjahres veröffentlicht werden.
Härtere Sanktionen und erweiterte Haftungsrisiken
Um die Einhaltung des Gesetzes sicherzustellen, ist mit einer Verschärfung der Sanktionsmechanismen und einer Diskussion um erweiterte Haftungsmöglichkeiten zu rechnen.
Erhöhung der Bußgelder: Die maximalen Bußgelder bei Verstößen könnten angehoben werden, um eine stärkere abschreckende Wirkung zu erzielen. Insbesondere bei wiederholten oder schwerwiegenden Verstößen.
Umsatzbezogene Sanktionen: Die Bemessung von Bußgeldern könnte sich noch stärker am weltweiten Umsatz des Unternehmens orientieren.
Erleichterte zivilrechtliche Haftung (Diskussionspunkt): Obwohl das ursprüngliche LkSG keine neue zivilrechtliche Haftung begründete, könnte im Rahmen von LkSG 2.0 oder begleitenden europäischen Regelungen (wie der EU-Lieferkettenrichtlinie) die Möglichkeit für Betroffene, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, gestärkt werden. Dies bleibt ein politisch sensibler, aber wichtiger Punkt.
Ausschluss von öffentlichen Aufträgen: Unternehmen, die wiederholt oder schwerwiegend gegen das LkSG verstoßen, könnten noch konsequenter von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Die Auswirkungen der Änderungen auf deutsche Unternehmen
Die Novellierung des Lieferkettengesetzes wird zweifellos vielfältige Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen haben.
Herausforderungen, insbesondere für KMUs
Sollte der Schwellenwert für die Anwendbarkeit sinken, stehen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) vor großen Herausforderungen. Der Aufbau und die Pflege eines umfassenden Risikomanagementsystems für Lieferketten sind ressourcenintensiv. KMUs verfügen oft nicht über die gleichen personellen und finanziellen Kapazitäten wie Großkonzerne. Sie benötigen daher praxisnahe Unterstützung, klare Leitfäden und möglicherweise angepasste Anforderungen, um das Gesetz effektiv umsetzen zu können.
Notwendigkeit robusterer Risikomanagementsysteme
Die verschärften Sorgfaltspflichten erfordern von allen Unternehmen eine kritische Überprüfung und gegebenenfalls eine grundlegende Überarbeitung ihrer bestehenden Risikomanagementsysteme. Es reicht nicht mehr, sich nur auf direkte Zulieferer zu konzentrieren. Die Fähigkeit, Risiken auch in tieferen Ebenen der Lieferkette zu identifizieren und zu managen, wird erfolgskritisch. Dies erfordert bessere Daten, fortschrittlichere Analysetools und engere Zusammenarbeit mit den Lieferanten.
Bedeutung von Transparenz und Datenmanagement
Die Erfassung, Verwaltung und Analyse der für das LkSG relevanten Daten wird immer komplexer. Unternehmen benötigen effiziente Datenmanagementsysteme, um den Überblick zu behalten und die erweiterten Berichtspflichten erfüllen zu können. Digitale Lösungen und Plattformen zur Lieferkettenkartierung und Risikobewertung werden an Bedeutung gewinnen.
Wettbewerbsvorteile durch proaktive Umsetzung
Trotz der Herausforderungen sollten Unternehmen das LkSG 2.0 nicht nur als Belastung sehen. Eine proaktive und umfassende Umsetzung kann auch zu Wettbewerbsvorteilen führen:
Verbesserte Reputation: Unternehmen, die ihre Verantwortung ernst nehmen, stärken ihr Ansehen bei Kunden, Investoren und potenziellen Mitarbeitern.
Resilientere Lieferketten: Ein besseres Verständnis der eigenen Lieferkette und der dortigen Risiken hilft, Störungen frühzeitig zu erkennen und die Lieferkette widerstandsfähiger zu gestalten.
Stärkere Lieferantenbeziehungen: Eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten kann zu stabileren und partnerschaftlicheren Beziehungen führen.
Innovationstreiber: Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsaspekten in der Lieferkette kann Innovationen in Produkten und Prozessen fördern.
Vorbereitung auf das „Lieferkettengesetz 2.0“ – Ihr Fahrplan
Angesichts der bevorstehenden Änderungen für 2025 ist eine frühzeitige und systematische Vorbereitung unerlässlich. Die folgenden Schritte können Ihnen als Fahrplan dienen:
1. Detaillierte Analyse der neuen gesetzlichen Anforderungen
Sobald die finalen Details des „Lieferkettengesetz 2.0“ bekannt sind (oder basierend auf den aktuellsten Entwürfen und Ankündigungen), ist eine gründliche Einarbeitung in die spezifischen neuen Pflichten der erste Schritt. Verstehen Sie genau, was sich für Ihr Unternehmen ändert, insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereichs, der Tiefe der Sorgfaltspflichten und der Berichtsanforderungen.
2. Durchführung einer umfassenden Gap-Analyse
Vergleichen Sie Ihre bestehenden Prozesse, Systeme und Richtlinien mit den neuen Anforderungen des LkSG 2.0. Identifizieren Sie Lücken und Bereiche, in denen Anpassungsbedarf besteht. Fragen Sie sich:
Sind unsere aktuellen Risikoanalysen ausreichend tiefgehend?
Erfassen wir alle relevanten Risikobereiche?
Sind unsere Präventions- und Abhilfemaßnahmen effektiv genug, auch bei mittelbaren Zulieferern?
Genügt unser Beschwerdemechanismus den neuen Standards?
Sind wir in der Lage, die detaillierteren Berichtspflichten zu erfüllen?
3. Anpassung von Verträgen und Lieferantenmanagement
Überprüfen und aktualisieren Sie Ihre Lieferantenverträge und Verhaltenskodizes (Codes of Conduct), um die verschärften Anforderungen des LkSG 2.0 widerzuspiegeln. Entwickeln Sie Strategien für eine intensivere Zusammenarbeit mit Ihren Lieferanten, insbesondere bei der Risikoermittlung und -minimierung in tieferen Kettengliedern. Schulungen und Capacity Building für Ihre Lieferanten können hierbei entscheidend sein.
4. Schulung von Mitarbeitern und Aufbau von internem Know-how
Stellen Sie sicher, dass alle relevanten Mitarbeiter, insbesondere im Einkauf, in der Rechtsabteilung, im Nachhaltigkeitsmanagement und in der Führungsebene, über die neuen Anforderungen umfassend geschult sind. Der Aufbau von internem Fachwissen ist entscheidend für eine erfolgreiche und glaubwürdige Umsetzung. Erwägen Sie die Ernennung eines Menschenrechtsbeauftragten oder die Stärkung der entsprechenden Funktion.
5. Implementierung oder Anpassung von IT-Systemen und Tools
Prüfen Sie, ob Ihre bestehenden IT-Systeme (z.B. ERP-Systeme, Lieferantenmanagement-Software) in der Lage sind, die notwendigen Daten zu erfassen, zu verarbeiten und für die Berichterstattung aufzubereiten. Möglicherweise ist die Investition in spezialisierte Softwarelösungen für das Lieferketten-Risikomanagement und die Nachhaltigkeitsberichterstattung sinnvoll oder notwendig.
6. Intensivierung des Stakeholder-Dialogs und der Kommunikation
Treten Sie in einen proaktiven Dialog mit Ihren Stakeholdern – dazu gehören Investoren, Kunden, NGOs, aber auch die eigenen Mitarbeiter und Lieferanten. Kommunizieren Sie transparent Ihre Bemühungen und Fortschritte bei der Umsetzung des LkSG 2.0. Dies schafft Vertrauen und kann wertvolles Feedback liefern.
Fazit: Lieferkettengesetz 2.0 als Chance für verantwortungsvolles Wirtschaften
Das „Lieferkettengesetz 2.0“ wird die Anforderungen an deutsche Unternehmen im Jahr 2025 zweifellos erhöhen und den Druck zur Übernahme von Verantwortung für globale Lieferketten verstärken. Die Vorbereitung auf diese Neuerungen erfordert Zeit, Ressourcen und ein starkes Engagement der Unternehmensleitung.
Doch neben den Herausforderungen bietet die konsequente Auseinandersetzung mit menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten auch bedeutende Chancen. Unternehmen, die diese Aufgabe proaktiv angehen, können nicht nur rechtliche Risiken minimieren, sondern auch ihre Lieferketten resilienter und ethischer gestalten, ihre Reputation stärken und letztlich einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren globalen Wirtschaft leisten. Sehen Sie das Lieferkettengesetz 2.0 daher nicht nur als regulatorische Pflicht, sondern als Ansporn, Ihr unternehmerisches Handeln noch verantwortungsvoller und zukunftsfähiger auszurichten. Der Zeitpunkt zu handeln ist jetzt.
Der deutsche Arbeitsmarkt im Jahr 2025 ist weiterhin von einer der größten Herausforderungen für Unternehmen geprägt: dem Fachkräftemangel. Quer durch alle Branchen klagen Firmen über unbesetzte Stellen, Auftragsstaus und gebremstes Wachstumspotenzial – schlichtweg, weil qualifiziertes Personal fehlt. Die traditionellen Recruiting-Methoden wie Stellenanzeigen auf großen Portalen oder die Hoffnung auf Initiativbewerbungen stoßen längst an ihre Grenzen. Unternehmen, die jetzt nicht umdenken und mutige, kreative Wege im Personalmarketing einschlagen, drohen den Anschluss zu verlieren. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels: Unkonventionelle Recruiting-Strategien können den entscheidenden Unterschied machen. In diesem Artikel stellen wir Ihnen drei solcher Ansätze vor, die jetzt funktionieren und Ihnen helfen können, die Talente zu finden, die Sie so dringend benötigen.
Das Problem: Warum klassisches Recruiting nicht mehr ausreicht
Bevor wir uns den innovativen Strategien widmen, ist es wichtig, das aktuelle Dilemma zu verstehen. Der demografische Wandel, ein Wertewandel bei jüngeren Generationen (Stichwort Purpose und Work-Life-Balance) und die rasant fortschreitende Digitalisierung mit ihren neuen Anforderungsprofilen haben die Spielregeln am Arbeitsmarkt fundamental verändert.
Die Hauptgründe für die Krise im Überblick:
Demografischer Wandel: Die Babyboomer-Generation verabschiedet sich zunehmend in den Ruhestand, während weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten. Dieses Ungleichgewicht verschärft den Wettbewerb um Talente enorm.
Veränderte Erwartungen der Arbeitnehmer: Besonders die Generation Z und die späten Millennials legen Wert auf mehr als nur ein gutes Gehalt. Unternehmenswerte, Entwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitsmodelle und eine positive Unternehmenskultur sind entscheidende Faktoren. Standardisierte Stellenanzeigen, die diese Aspekte nicht authentisch transportieren, verfehlen oft ihre Wirkung.
Schnelllebige Skill-Anforderungen: Die Digitalisierung und neue Technologien wie KI erfordern ständig neue Fähigkeiten. Viele Berufe wandeln sich, neue entstehen. Unternehmen müssen in der Lage sein, nicht nur nach existierenden Qualifikationen zu suchen, sondern auch Potenziale für zukünftige Anforderungen zu erkennen.
Informationsüberflutung und geringere Aufmerksamkeitsspanne: Kandidaten werden mit Stellenangeboten bombardiert. Um aus der Masse herauszustechen, bedarf es mehr als einer simplen Auflistung von Aufgaben und Anforderungen.
Es ist offensichtlich: Ein „Weiter so“ im Recruiting führt in eine Sackgasse. Es braucht frische Ideen und eine proaktive Herangehensweise, um die richtigen Köpfe für das eigene Unternehmen zu begeistern.
Strategie 1: Talent-Scouting Deluxe – Quereinsteiger und verborgene Potenziale heben
Eine der vielversprechendsten unkonventionellen Strategien ist das proaktive Scouting von Talenten in branchenfremden Bereichen und die gezielte Ansprache von Quereinsteigern mit übertragbaren Fähigkeiten (Transferable Skills). Statt nur auf den perfekten Lebenslauf mit jahrelanger Branchenerfahrung zu warten, öffnen Sie Ihren Blick für Potenziale, die auf den ersten Blick vielleicht nicht offensichtlich sind.
Was genau verbirgt sich hinter „Talent-Scouting Deluxe“?
Es geht darum, aktiv nach Menschen zu suchen, die aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeiten, ihrer Persönlichkeit oder ihrer erworbenen Kompetenzen das Rüstzeug für eine neue Aufgabe in Ihrem Unternehmen mitbringen, auch wenn sie bisher in einem völlig anderen Feld gearbeitet haben. Denken Sie an ehemalige Offiziere mit Führungserfahrung für Managementpositionen, an Geisteswissenschaftler mit analytischen Fähigkeiten für konzeptionelle Aufgaben oder an Servicekräfte aus der Gastronomie mit exzellenter Kundenorientierung für Vertriebsrollen.
Der Fokus liegt hierbei auf:
Transferable Skills: Kommunikationsstärke, Problemlösungskompetenz, analytisches Denkvermögen, Lernbereitschaft, Anpassungsfähigkeit, Teamfähigkeit, Projektmanagement-Skills. Dies sind Fähigkeiten, die branchenübergreifend wertvoll sind.
Motivation und Lernagilität: Ist der Kandidat bereit und fähig, sich schnell in neue Themen einzuarbeiten und sich weiterzuentwickeln?
Cultural Fit: Passt die Persönlichkeit des Kandidaten zu Ihren Unternehmenswerten und Ihrem Team?
Warum ist dieser Ansatz unkonventionell und effektiv?
Traditionell suchen viele Unternehmen nach dem „Klon“ des ausgeschiedenen Mitarbeiters oder dem Kandidaten, der exakt alle Punkte der Anforderungsliste erfüllt. Dieser neue Ansatz bricht damit.
Erweiterung des Talentpools: Sie fischen nicht mehr nur im oft überfischten Teich der Branchenexperten, sondern erschließen sich völlig neue Kandidatengruppen.
Frischer Wind und neue Perspektiven: Quereinsteiger bringen oft unvoreingenommene Sichtweisen und kreative Lösungsansätze aus anderen Bereichen mit, die für Ihr Unternehmen sehr wertvoll sein können.
Höhere Loyalität: Kandidaten, denen eine Chance zum Quereinstieg gegeben wird und die dabei unterstützt werden, zeigen oft eine höhere Dankbarkeit und Bindung an das Unternehmen.
Antwort auf spezifische Skill-Gaps: Manchmal sind die benötigten spezifischen Fachkenntnisse schnell erlernbar, während übertragbare Fähigkeiten wie Problemlösungskompetenz viel schwerer zu entwickeln sind.
Praktische Umsetzung: So finden Sie die verborgenen Talente
Anforderungsprofile neu definieren: Konzentrieren Sie sich weniger auf formale Abschlüsse und Branchenerfahrung und stärker auf die tatsächlich benötigten Kernkompetenzen und Soft Skills. Welche Fähigkeiten sind wirklich „Must-haves“ und welche „Nice-to-haves“, die on-the-job erlernt werden können?
Alternative Suchkanäle nutzen:
Spezifische Netzwerke für Quereinsteiger: Es gibt Plattformen und Initiativen, die sich auf die Vermittlung von Quereinsteigern spezialisiert haben.
Alumni-Netzwerke von Hochschulen: Auch Absolventen von Fachrichtungen, die nicht direkt zu Ihrer Branche passen, können spannende Profile haben.
Branchen-Events außerhalb Ihrer Komfortzone: Besuchen Sie Messen oder Konferenzen anderer Sektoren, um Inspiration und Kontakte zu gewinnen.
Kooperationen mit Weiterbildungsträgern: Diese haben oft Kontakt zu motivierten Umsteigern.
Offene Ansprache und Storytelling: Kommunizieren Sie aktiv, dass Sie offen für Quereinsteiger sind. Erzählen Sie Erfolgsgeschichten von Mitarbeitern, die einen unkonventionellen Weg in Ihr Unternehmen gefunden haben.
Angepasste Onboarding-Programme: Entwickeln Sie maßgeschneiderte Einarbeitungspläne und Mentoring-Programme, um Quereinsteigern den Start zu erleichtern und fehlendes Fachwissen gezielt aufzubauen. Investieren Sie in Weiterbildung und interne Schulungen.
Interne Talente nicht vergessen: Oft schlummern auch innerhalb des eigenen Unternehmens verborgene Potenziale bei Mitarbeitern, die bereit für eine neue Herausforderung in einem anderen Bereich wären.
Beispiel: Ein mittelständisches Softwareunternehmen sucht händeringend Projektmanager. Statt nur nach IT-Projektmanagern zu suchen, könnten sie gezielt ehemalige Eventmanager oder Bauleiter ansprechen, die über exzellente Organisations- und Koordinationsfähigkeiten verfügen und die spezifischen Software-Kenntnisse durch Schulungen erwerben können.
Mögliche Herausforderungen und wie Sie ihnen begegnen
Skepsis im eigenen Haus: Führungskräfte und Teams müssen von diesem Ansatz überzeugt werden. Zeigen Sie positive Beispiele und betonen Sie die Vorteile.
Höherer initialer Einarbeitungsaufwand: Planen Sie Ressourcen für Schulung und Mentoring ein. Langfristig kann sich dies jedoch durch höhere Motivation und Loyalität auszahlen.
Fehleinschätzungen: Nicht jeder Quereinsteiger ist ein Erfolg. Ein gut strukturierter Auswahlprozess, der auf Potenzial und Lernfähigkeit achtet, ist entscheidend.
Strategie 2: Gamification und Skill-Challenges – Spielerisch zum Traumjob
Die zweite unkonventionelle Strategie setzt auf Gamification im Bewerbungsprozess und die Nutzung von Skill-basierten Challenges, um die tatsächlichen Fähigkeiten und das Problemlösungsverhalten von Kandidaten zu testen – oft bevor der erste Blick auf den Lebenslauf geworfen wird.
Was bedeutet Gamification im Recruiting?
Gamification bedeutet die Anwendung von spieltypischen Elementen und Mechaniken in einem spielfremden Kontext – in diesem Fall dem Recruiting. Ziel ist es, den Bewerbungsprozess interaktiver, ansprechender und oft auch aufschlussreicher zu gestalten.
Elemente können sein:
Punktesysteme und Badges: Für absolvierte Aufgaben oder erreichte Meilensteine.
Ranglisten (mit Vorsicht zu genießen): Können den Wettbewerbsgeist anregen, aber auch abschrecken.
Storytelling und Avatare: Bewerber tauchen in eine Geschichte ein oder erstellen einen Avatar.
Interaktive Aufgaben und Simulationen: Statt nur Fragen zu beantworten, lösen Kandidaten reale Problemstellungen.
Sofortiges Feedback: Gibt den Bewerbern eine unmittelbare Rückmeldung zu ihrer Leistung.
Skill-Challenges: Zeig, was du kannst!
Skill-Challenges sind konkrete Aufgaben oder Fallstudien, die Kandidaten bearbeiten müssen, um ihre praktischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Dies kann von Programmieraufgaben über die Erstellung einer Marketingkampagne bis hin zur Lösung einer komplexen Business-Case-Studie reichen. Der Fokus liegt klar auf dem Können, nicht nur auf dem Behaupten von Fähigkeiten im Lebenslauf.
Warum ist dieser Ansatz unkonventionell und effektiv?
Objektivere Bewertung: Fähigkeiten werden direkt getestet, was die Aussagekraft gegenüber reinen Selbstauskünften im Lebenslauf erhöht. Vorurteile (Bias) können reduziert werden.
Bessere Candidate Experience: Ein gut gemachter gamifizierter Prozess oder eine spannende Challenge können den Bewerbern Spaß machen und einen positiven ersten Eindruck vom Unternehmen vermitteln. Es zeigt Innovationsbereitschaft.
Filterung ungeeigneter Kandidaten: Wer nicht bereit ist, sich auf eine Challenge einzulassen oder dabei scheitert, signalisiert möglicherweise mangelndes Engagement oder fehlende Kernkompetenzen.
Identifikation von „Hidden Champions“: Kandidaten, deren Lebensläufe vielleicht nicht perfekt glänzen, aber über herausragende praktische Fähigkeiten verfügen, bekommen eine faire Chance.
Employer Branding: Ein innovativer Bewerbungsprozess spricht sich herum und kann Ihr Unternehmen als modernen und attraktiven Arbeitgeber positionieren.
Praktische Umsetzung: So gestalten Sie spielerische Auswahlverfahren
Zielgruppe und Position analysieren: Nicht jede Gamification-Methode passt zu jeder Zielgruppe oder jeder Stelle. Für kreative Berufe eignen sich andere Ansätze als für stark analytische Rollen.
Klare Ziele definieren: Was wollen Sie mit der Gamification oder der Challenge testen? Welche spezifischen Skills stehen im Vordergrund?
Passende Tools und Plattformen auswählen: Es gibt spezialisierte Anbieter für Recruiting-Games und Assessment-Plattformen. Manchmal reichen aber auch kreative Eigenentwicklungen.
Niedrigschwelliger Einstieg: Die Hürde zur Teilnahme sollte nicht zu hoch sein. Beginnen Sie vielleicht mit kleineren, unterhaltsamen Aufgaben.
Transparenz und Fairness: Kommunizieren Sie klar, wie der Prozess abläuft und wie bewertet wird. Stellen Sie sicher, dass die Aufgaben fair und für alle lösbar sind, die die grundlegenden Anforderungen erfüllen.
Feedback integrieren: Geben Sie den Teilnehmern (zumindest denjenigen, die einen gewissen Aufwand betrieben haben) konstruktives Feedback, auch wenn es nicht für den nächsten Schritt reicht.
Beispiele:
Ein IT-Unternehmen lässt Bewerber für eine Softwareentwicklerstelle eine kleine Programmieraufgabe online lösen.
Eine Marketingagentur stellt eine fiktive Case Study bereit und bittet um erste Ideen für eine Kampagne in Form einer kurzen Präsentation.
Ein Logistikunternehmen simuliert eine komplexe Routenplanung, die Bewerber optimieren müssen.
Mögliche Herausforderungen und wie Sie ihnen begegnen
Entwicklungsaufwand und Kosten: Die Konzeption und Umsetzung guter Gamification-Elemente oder Challenges kann zeit- und kostenintensiv sein. Starten Sie klein und evaluieren Sie den ROI.
Abschreckung bestimmter Kandidatengruppen: Nicht jeder ist ein „Spielertyp“. Stellen Sie sicher, dass der Prozess nicht diskriminierend wirkt und alternative Wege offenbleiben.
Messbarkeit und Vergleichbarkeit: Die Ergebnisse müssen objektiv bewertbar und vergleichbar sein. Definieren Sie klare Bewertungskriterien.
Datenschutz: Achten Sie bei der Nutzung von Online-Tools und der Erhebung von Daten auf die Einhaltung der DSGVO.
Strategie 3: Aufbau von Talent Communities – Proaktives Nurturing statt Warten auf Bewerbungen
Die dritte unkonventionelle Strategie zielt auf einen langfristigen Beziehungsaufbau mit potenziellen Kandidaten ab: der Aufbau unternehmenseigener Talent Communities. Statt erst dann aktiv zu werden, wenn eine Stelle frei wird, interagieren Sie kontinuierlich mit interessierten Fachkräften, auch wenn diese aktuell nicht auf Jobsuche sind.
Was sind Talent Communities?
Eine Talent Community ist eine Gruppe von Personen, die Interesse an Ihrem Unternehmen als potenziellem Arbeitgeber gezeigt haben und mit denen Sie regelmäßig in Kontakt bleiben, um sie über Neuigkeiten, Karrieremöglichkeiten und branchenrelevante Themen zu informieren. Dies können ehemalige Bewerber sein, Praktikanten, Werkstudenten, aber auch einfach Personen, die sich für Ihren Newsletter angemeldet oder an einem Ihrer Events teilgenommen haben.
Das Ziel ist es, diese Kontakte zu „pflegen“ (Nurturing), sodass Ihr Unternehmen die erste Wahl ist, wenn diese Personen über einen Jobwechsel nachdenken.
Warum ist dieser Ansatz unkonventionell und effektiv?
Viele Unternehmen agieren im Recruiting reaktiv: Stelle wird frei -> Anzeige schalten -> auf Bewerbungen warten. Der Aufbau von Talent Communities ist proaktiv und strategisch.
Zugriff auf einen warmen Kandidatenpool: Wenn eine Stelle frei wird, haben Sie bereits eine Liste von potenziell passenden und interessierten Personen, die Ihr Unternehmen schon kennen.
Verkürzung der Time-to-Hire: Der Rekrutierungsprozess kann deutlich beschleunigt werden.
Stärkung des Employer Brandings: Durch regelmäßige, wertvolle Inhalte positionieren Sie sich als Experte und attraktiver Arbeitgeber.
Gewinnung passiver Kandidaten: Sie erreichen auch Fachkräfte, die aktuell nicht aktiv suchen, aber offen für interessante Angebote sind.
Besseres Verständnis des Talentmarktes: Durch den direkten Austausch erhalten Sie wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse und Wünsche potenzieller Mitarbeiter.
Praktische Umsetzung: So bauen Sie eine lebendige Talent Community auf
Identifikation potenzieller Mitglieder:
„Silbermedaillisten“: Gute Bewerber, die es knapp nicht geschafft haben – fragen Sie sie, ob sie in Ihren Talentpool aufgenommen werden möchten.
Karriere-Webseite: Bieten Sie einen Newsletter oder eine Möglichkeit an, sich für Job-Alerts und Unternehmensinfos zu registrieren.
Messen und Events: Sammeln Sie Kontakte von interessierten Besuchern (DSGVO-konform!).
Social Media: Nutzen Sie Gruppen auf LinkedIn oder Xing oder eigene Kanäle, um eine Community aufzubauen.
Mitarbeiterempfehlungen: Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, Kontakte aus ihrem Netzwerk vorzuschlagen.
Wertvollen Content bereitstellen:
Unternehmens-News: Einblicke in die Kultur, neue Projekte, Erfolge.
Fachartikel und Branchen-Insights: Positionieren Sie sich als Thought Leader.
Karrieretipps: Hilfreiche Ratschläge rund um Job und Karriere.
Einladungen zu Webinaren oder Events: Bieten Sie exklusive Gelegenheiten zum Austausch.
Vorstellung von Mitarbeitern und Teams: Geben Sie authentische Einblicke.
Regelmäßige und personalisierte Kommunikation:
Versenden Sie nicht nur Jobangebote, sondern bieten Sie echten Mehrwert.
Segmentieren Sie Ihre Community, um relevantere Inhalte auszuspielen (z.B. nach Interessengebieten oder Karrierestufen).
Interaktionsmöglichkeiten schaffen:
Stellen Sie Fragen, initiieren Sie Diskussionen.
Bieten Sie exklusive Q&A-Sessions mit Fachexperten oder Führungskräften an.
Technologie nutzen:
Candidate Relationship Management (CRM) Systeme: Helfen bei der Verwaltung der Kontakte und der Automatisierung der Kommunikation.
E-Mail-Marketing-Tools.
Beispiel: Ein Beratungsunternehmen baut eine LinkedIn-Gruppe für Young Professionals auf, die sich für die Beratungsbranche interessieren. Dort teilen sie regelmäßig spannende Case Studies (anonymisiert), laden zu kostenlosen Webinaren über Beratungsskills ein und informieren über Einstiegsmöglichkeiten und Traineeprogramme.
Mögliche Herausforderungen und wie Sie ihnen begegnen
Langfristiger Aufwand: Der Aufbau und die Pflege einer Talent Community erfordern Zeit und Kontinuität. Es ist kein schneller Fix, sondern eine strategische Investition.
Content-Erstellung: Regelmäßig relevante und ansprechende Inhalte zu produzieren, kann herausfordernd sein. Beziehen Sie verschiedene Abteilungen mit ein.
Messung des Erfolgs: Der ROI ist nicht immer sofort ersichtlich. Definieren Sie Kennzahlen wie die Anzahl der Einstellungen aus dem Pool oder die Engagement-Raten.
Datenschutz (DSGVO): Holen Sie immer die Einwilligung der Personen ein, bevor Sie sie in Ihre Community aufnehmen und kontaktieren. Sorgen Sie für einfache Abmelde-Möglichkeiten.
Über die Strategien hinaus: Eine Kultur, die Talente anzieht und hält
Auch die cleversten unkonventionellen Recruiting-Strategien verpuffen, wenn die Unternehmenskultur nicht stimmt oder das Employer Branding mangelhaft ist. Die besten Talente zu finden ist nur die halbe Miete – sie langfristig zu binden, ist ebenso entscheidend.
Deshalb sind folgende Aspekte unerlässlich:
Authentisches Employer Branding: Was macht Ihr Unternehmen einzigartig? Welche Werte leben Sie? Kommunizieren Sie dies ehrlich und konsistent nach außen. Ihre Mitarbeiter sind dabei Ihre wichtigsten Botschafter.
Positive Candidate Experience: Jeder Kontaktpunkt im Bewerbungsprozess zählt – von der ersten Ansprache bis zur Absage. Behandeln Sie jeden Bewerber respektvoll und wertschätzend.
Exzellentes Onboarding: Sorgen Sie dafür, dass neue Mitarbeiter vom ersten Tag an gut integriert werden und sich willkommen fühlen.
Kontinuierliche Mitarbeiterentwicklung: Bieten Sie Perspektiven, Lernmöglichkeiten und individuelle Förderung.
Attraktive Arbeitsbedingungen: Dazu gehören nicht nur Gehalt, sondern auch flexible Arbeitsmodelle, Gesundheitsangebote und eine angenehme Arbeitsatmosphäre.
Starke Führungskultur: Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle bei der Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung.
Diese Faktoren strahlen nach außen und unterstützen Ihre Recruiting-Anstrengungen maßgeblich. Ein guter Ruf als Arbeitgeber ist oft wirkungsvoller als jede teure Kampagne.
Fazit: Mut zu neuen Wegen im Kampf gegen den Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel im Jahr 2025 erfordert ein radikales Umdenken im Recruiting. Unternehmen, die sich von starren Mustern lösen und bereit sind, unkonventionelle Wege zu gehen, haben die besten Chancen, die Talente für sich zu gewinnen, die sie für ihren Erfolg benötigen.
Die vorgestellten Strategien – das Heben verborgener Potenziale durch Quereinsteiger, der Einsatz von Gamification und Skill-Challenges sowie der proaktive Aufbau von Talent Communities – sind nur einige Beispiele dafür, wie Sie Ihren Recruiting-Ansatz modernisieren können. Wichtig ist, eine Strategie zu wählen, die zu Ihrer Unternehmenskultur und Ihren spezifischen Bedürfnissen passt.
Seien Sie mutig, kreativ und experimentierfreudig. Analysieren Sie Ihre Zielgruppen, denken Sie über den Tellerrand hinaus und investieren Sie in den Aufbau echter Beziehungen. Denn im „War for Talents“ gewinnen diejenigen, die nicht nur suchen, sondern nachhaltig begeistern und binden können. Der Kampf gegen den Fachkräftemangel ist kein Sprint, sondern ein Marathon – aber mit den richtigen, auch unkonventionellen Strategien, können Sie ihn erfolgreich meistern.
Deutschlands Wirtschaftskurs bis 2035 im Spannungsfeld geopolitischer Risiken und technologischer Souveränitätsbestrebungen
Einleitung: Das Jahrzehnt der Disruption meistern – Deutschlands wirtschaftlicher Kompass bis 2035
Die aktuelle globale Landschaft ist geprägt von einem komplexen Zusammenspiel wirtschaftlicher, geopolitischer und technologischer Kräfte. Deutschland, als eine stark globalisierte und exportorientierte Wirtschaft, befindet sich im Zentrum dieser Verschiebungen. Das kommende Jahrzehnt bis 2035 erfordert eine strategische Neubewertung seiner wirtschaftlichen Verflechtungen. Dies beinhaltet die Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz gegenüber Schocks, das Navigieren in einer neuen Phase der „Re-Globalisierung“, die eher von strategischen Neuausrichtungen als von einfacher Deglobalisierung gekennzeichnet ist, und das Streben nach technologischer Souveränität in kritischen Sektoren, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und Anfälligkeiten zu reduzieren. Geopolitische Spannungen, wie die anhaltende Rivalität zwischen den USA und China sowie regionale Konflikte, fügen zusätzliche Unsicherheitsebenen hinzu, während der Imperativ des technologischen Fortschritts, insbesondere in Bereichen wie KI, Halbleiter und grüne Technologien, immer kritischer wird.1
Diese Analyse bietet einen entscheidenden Rahmen für deutsche Unternehmen, um das sich wandelnde operative Umfeld zu verstehen. Sie zielt darauf ab, Wirtschaftsführern Erkenntnisse zu vermitteln, um Herausforderungen frühzeitig zu erkennen, Chancen zu identifizieren und robuste Strategien für nachhaltiges Wachstum und Resilienz in einer Zeit tiefgreifender Transformationen zu formulieren. Die heute getroffenen Entscheidungen werden Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung und seine globale Position bis 2035 maßgeblich prägen.
Das neue globale Drehbuch: Definition von Resilienz, Re-Globalisierung und technologischer Souveränität für Deutschland
Mehr als nur Schlagworte: Was wirtschaftliche Resilienz in einer vernetzten Welt wirklich bedeutet
Ökonomische Resilienz ist die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, vorbereitende Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu ergreifen, unmittelbare Krisenfolgen abzumildern und sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.5 Dies umfasst nicht nur das Wiedererreichen des Ausgangszustandes, sondern potenziell auch ein „Voranpreschen“, indem Krisen als Chancen für positive Transformationen genutzt werden.5 Es beinhaltet die Stärkung der Krisenverarbeitungskapazitäten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Berücksichtigung verschiedener Krisenphasen: Vorbereitung, Milderung und Anpassung.5
Für Deutschland, eine hochentwickelte Industrie- und Exportnation, bedeutet Resilienz die Absicherung seiner komplexen Lieferketten, die Diversifizierung wirtschaftlicher Partnerschaften und die Gewährleistung der Stabilität seiner industriellen Schlüsselsektoren angesichts externer Schocks.1 Die COVID-19-Pandemie und die Energiekrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine haben bestehende Anfälligkeiten und die Dringlichkeit der Resilienzstärkung deutlich gemacht.7
Resilienz ist kein isoliertes Ziel, sondern untrennbar verbunden mit Bestrebungen nach technologischer Souveränität – zur Reduzierung kritischer Importabhängigkeiten – und dem Navigieren der Re-Globalisierung durch den Aufbau robusterer und diversifizierter internationaler Partnerschaften.
Obwohl Definitionen von Resilienz die Anpassungsfähigkeit betonen 5, besteht eine Kernherausforderung für Deutschlands exportorientierte, hochspezialisierte Industriebasis darin, dass tief verwurzelte Strukturen und Abhängigkeiten, beispielsweise im Automobil- oder Chemiesektor 6, Pfadabhängigkeiten schaffen können, die eine schnelle Anpassung behindern. Die Stärken, die Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg begründeten – Spezialisierung und Effizienz in etablierten globalen Wertschöpfungsketten 1 – könnten in einer sich rasch wandelnden geopolitischen und technologischen Landschaft zu Rigiditäten werden. Geopolitische Schocks und schnelle technologische Veränderungen erfordern jedoch eine zügige Anpassung, wie die Diversifizierung weg von China bei kritischen Vorprodukten 6 oder der Umstieg auf neue Energiequellen.7 Die „Trägheit“ bestehender Strukturen kann daher im Widerspruch zur Notwendigkeit agiler Anpassung stehen. Dies impliziert einen potenziellen Zielkonflikt zwischen der Optimierung der aktuellen Effizienz und Investitionen in (möglicherweise kurzfristig weniger effiziente, aber langfristig robustere) adaptive Kapazitäten.
Re-Globalisierung vs. De-Globalisierung: Deutschlands Kurs in einer fragmentierten Handelslandschaft
Die Welthandelsorganisation (WTO) definiert „Re-Globalisierung“ als verstärkte internationale Zusammenarbeit und eine Rückbesinnung auf die Idee, dass enge Handels- und Wirtschaftsbeziehungen Frieden und Wohlstand fördern.17 Dies steht im Gegensatz zur Deglobalisierung, die einen Rückzug von der globalen wirtschaftlichen Integration impliziert. Andere Analysen deuten darauf hin, dass Re-Globalisierung eine Neukonfiguration der Globalisierung durch verschiedene Verschiebungen und Kräfte beinhaltet, nicht unbedingt eine einfache Zunahme der Zusammenarbeit, sondern eine Veränderung ihrer Natur.19
Für Deutschland, dessen Wirtschaftsmodell stark auf Export und internationale Lieferketten angewiesen ist 1, würde eine vollständige Deglobalisierung zu erheblichen BIP-Verlusten führen.1 Re-Globalisierung bedeutet daher wahrscheinlich eine Diversifizierung der Handelspartner, eine Stärkung der Beziehungen zu gleichgesinnten demokratischen Nationen 1 und eine aktive Gestaltung globaler Handelsregeln und Governance-Strukturen.22 Es geht darum, die Globalisierung widerstandsfähiger und an strategischen Interessen ausgerichtet zu gestalten, nicht sie aufzugeben.
Die Re-Globalisierung für Deutschland ist nicht nur eine Frage von „mehr Handel“ oder „mehr Kooperation“ 17, sondern ein qualitativer Wandel hin zu einem strategischeren Management von Interdependenzen. Dies beinhaltet die aktive Auswahl von Partnern, die Diversifizierung weg von einzelnen Fehlerquellen (z.B. übermäßige Abhängigkeit von China bei bestimmten Gütern 1) und potenziell die Akzeptanz höherer Kosten oder geringerer Effizienz auf kurze Sicht zugunsten langfristiger Resilienz und geopolitischer Ausrichtung. Es ist ein Übergang von einer kostenoptimierten Globalisierung zu einer risikoangepassten und strategisch ausgerichteten Globalisierung. Die traditionelle Globalisierung wurde oft von Kosteneffizienz getrieben, was zu konzentrierten Lieferketten führte. Geopolitische Risiken und Lieferkettenunterbrechungen haben die Anfälligkeiten dieses Modells offengelegt.1 Während „Re-Globalisierung“ 17 eine Fortsetzung des internationalen wirtschaftlichen Engagements impliziert, zeigen Szenarien des ifo Instituts 1, dass einfaches Reshoring oder Nearshoring ebenfalls hohe Kosten verursachen. Ein nuancierterer Ansatz ist daher erforderlich: nicht nur die Produktion zurückzuverlagern, sondern Quellen zu diversifizieren, Partnerschaften mit verlässlichen Ländern aufzubauen 1 und möglicherweise Redundanzen zu schaffen. Dies deutet darauf hin, dass es bei der Re-Globalisierung weniger um das Volumen des Handels als vielmehr um die Qualität und strategische Natur der Handelsbeziehungen geht, mit dem Ziel, kritische Abhängigkeiten zu reduzieren und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, auch wenn dies eine gewisse Abweichung von der reinen Kostenoptimierung bedeutet. Dies deckt sich mit der Forderung des BDI nach einer aktiven politischen Gestaltung der Globalisierung.22
Das Streben nach Souveränität: Deutschlands und Europas Vorstoß für technologische und strategische Autonomie
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) definiert technologische Souveränität als die Fähigkeit, Schlüsseltechnologien zu verstehen, anzuwenden und mitzugestalten sowie sie bei Bedarf im Inland herzustellen, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden und die nationale Handlungsfähigkeit zu wahren.24 Dies schließt die Gestaltung von Standards und den Zugang zu Technologien ein, die für gesellschaftliche Prioritäten entscheidend sind.25 Die EU teilt dieses Bestreben und zielt darauf ab, Abhängigkeiten von außereuropäischen Anbietern bei kritischer digitaler Infrastruktur und Schlüsseltechnologien zu reduzieren.27
Dies erstreckt sich über digitale Technologien hinaus auf industrielle Technologien wie Werkzeugmaschinen und Elektromobilität.25 Ziel ist nicht Autarkie, sondern die Fähigkeit zu autonomem Handeln und zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit globalen Partnern.25
Obwohl „Deutschland und Europa“ oft gemeinsam im Streben nach technologischer Souveränität genannt werden 24, besteht eine unterschwellige Spannung. Nationale Interessen (z.B. spezifische deutsche Industrien) stimmen möglicherweise nicht immer perfekt mit gesamteuropäischen Prioritäten oder der Ressourcenallokation für IPCEIs und andere EU-Initiativen überein. Deutschland ist zwar ein zentraler Wirtschafts- und Innovationstreiber innerhalb der EU 31, und EU-weite Initiativen wie IPCEIs zielen darauf ab, Ressourcen zu bündeln und europäische Fähigkeiten aufzubauen.35 Jedoch entscheiden letztlich nationale Regierungen über Finanzierung und Teilnahme, geleitet von nationalen wirtschaftlichen und strategischen Interessen. Die Ressourcenallokation auf EU-Ebene priorisiert möglicherweise nicht immer die Technologien oder Sektoren, die für Deutschlands unmittelbare industrielle Bedürfnisse am kritischsten sind, oder umgekehrt. Dies birgt das Potenzial für Reibungsverluste, wenn nationale und EU-Strategien nicht perfekt harmonisiert sind. Der Erfolg europäischer technologischer Souveränität hängt davon ab, diese oft unterschiedlichen nationalen Perspektiven in Einklang zu bringen und sicherzustellen, dass gemeinsame Anstrengungen die Fähigkeiten wichtiger Mitgliedstaaten wie Deutschland tatsächlich stärken.
Deutschlands wirtschaftliche Lebensadern: Kartierung der Interdependenzen in einer sich wandelnden Welt
Export-Kraftzentren: Deutschlands Schlüsselindustrien und ihre globale Präsenz
Deutschland ist ein weltweit führender Exporteur, ein erheblicher Teil seines BIP und seiner Beschäftigung hängt vom Außenhandel ab.13 Zu den wichtigsten Exportsektoren zählen traditionell die Automobilindustrie, der Maschinenbau, die chemische Industrie sowie zunehmend Pharmazeutika und elektrotechnische Erzeugnisse.
Die Automobilindustrie bleibt ein Eckpfeiler, steht jedoch vor Transformationsdruck (Elektrifizierung, Digitalisierung) und starkem internationalen Wettbewerb, insbesondere aus China bei Elektrofahrzeugen.12 Die USA sind ein kritischer Exportmarkt.41 So setzten VW, BMW und Mercedes zwischen 30 und 40 Prozent ihrer Fahrzeuge in China ab 21, während Kraftfahrzeuge und -teile 17,3% der deutschen Exporte im Jahr 2023 ausmachten 41 und die USA wichtigster Abnehmer deutscher Exporte insgesamt waren, wobei Kraftfahrzeuge eine Schlüsselrolle spielten.42
Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine traditionelle Stärke, Deutschland ist ein führender globaler Produzent und Exporteur.11 Der Sektor steht jedoch auch vor Herausforderungen durch globalen Wettbewerb und die Notwendigkeit der Digitalisierung (Industrie 4.0).48 Die Exporte nach China sind teilweise zurückgegangen, während die USA ein starker Markt bleiben.50
Die chemische und pharmazeutische Industrie ist ein globaler Akteur mit erheblichen F&E-Investitionen und starker Exportorientierung.11 Pharmazeutika sind zu einem wichtigen Exportgut geworden, insbesondere in die USA.45 Der Chemiesektor ist stark in globale Wertschöpfungsketten integriert und steht unter Druck durch hohe Energiekosten und regulatorische Belastungen.11 Im Jahr 2024 gingen 24% der deutschen Pharmaexporte in die USA.47
Die Elektrotechnik und IKT umfassen eine breite Produktpalette von Industrieelektronik bis zu Konsumgütern und Software. Deutschland verfügt über starke Cluster (z.B. Silicon Saxony für Mikroelektronik 35), sieht sich aber intensivem globalen Wettbewerb und Abhängigkeiten gegenüber, insbesondere bei Halbleitern und digitalen Technologien aus den USA und China.35
Tabelle 1: Top 5 deutsche Exportsektoren: Wichtige Märkte und Wert (2023/2024)
Sektor
Exportwert (Mrd. EUR, 2023/2024)
Wichtigste Exportmärkte (Anteil)
Kraftfahrzeuge und -teile
273 (2023) 41, 262,6 (2024) 47
USA (ca. 10-13% der Kfz-Exporte 41), China (rückläufig 42), Frankreich, UK, EU allgemein 41
Maschinen
14,0% der Gesamtexporte (2024) 63
USA (stark 50), EU, China (rückläufig für einige Segmente 50)
Chemische Erzeugnisse
9,0% der Gesamtexporte (2024) 63
EU, USA, Asien
Pharmazeutische Erzeugnisse
64,2 Mrd. USD (2023, nur Medikam.) 55
USA (23,2% der Pharmaexp. 2023 45, 24% in 2024 47), EU
Elektrische Ausrüstungen
14,9% der Importe (2023) 41 (Exportdaten spezifischer benötigt)
USA, EU, China
Anmerkung: Die Tabelle fasst Daten aus verschiedenen Quellen zusammen; exakte, einheitliche Zahlen für alle Sektoren und Jahre sind schwer zu konsolidieren. Die Werte dienen der Illustration der Größenordnungen und Hauptmärkte.
Die Identifizierung der größten Exportsektoren zeigt, wo Deutschlands wirtschaftliche Stärke (und potenzielle Anfälligkeiten bei Marktveränderungen) liegt. Die Kenntnis der wichtigsten Zielmärkte für diese Top-Sektoren unterstreicht entscheidende bilaterale Wirtschaftsbeziehungen und Bereiche potenzieller geopolitischer Risiken. Diese Tabelle liefert einen datengestützten Überblick über Deutschlands Exportkraftzentren und ihre globalen Hauptabhängigkeiten und bereitet die Diskussion über Resilienz- und Re-Globalisierungsstrategien vor.
Die Abhängigkeitsmatrix: Wo Deutschland auf die Welt angewiesen ist
Kritische Rohstoffe: Das unsichtbare Fundament der deutschen Industrie Deutschland ist in hohem Maße von Importen zahlreicher nicht-energetischer Rohstoffe abhängig, insbesondere von Metallen und Industriemineralien.15 Diese sind für Schlüsseltechnologien wie Elektromobilität, Batterien, Windturbinen und digitale Technologien unerlässlich.6 Ein besonderes Augenmerk liegt auf der hohen Abhängigkeit von China bei spezifischen kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden (unerlässlich für Magnete in Elektrofahrzeugen und Windturbinen), Graphit (für Batterieanoden), Magnesium, Gallium und Germanium.6 Bei einigen dieser Rohstoffe kontrolliert China einen quasi-monopolistischen Anteil an der globalen raffinierten Versorgung.64 So stammten 2024 die Hälfte der deutschen Lithiumimporte aus China, und die Abhängigkeit von China bei Seltenen Erden ist mittlerweile größer als die frühere Abhängigkeit von russischer Energie.15 Die EU bezieht 100% ihres Bedarfs an schweren Seltenen Erden aus China.66 Spezifische Materialabhängigkeiten umfassen:
Lithium: Entscheidend für Batterien. Importe aus Chile, Argentinien, aber China spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung und bei lithiumhaltigen Produktimporten.14 Australien ist ein Hauptproduzent im Bergbau.14
Kobalt: Wird in Batterien verwendet. Deutschland könnte den Handel mit Australien, Indonesien und den USA ausbauen.67 Erhebliche Produktion in der DR Kongo.
Seltene Erden (SEE): Lebenswichtig für Permanentmagnete (Elektrofahrzeuge, Windturbinen), Elektronik. Extreme Abhängigkeit von China bei verarbeiteten SEE (98-99% der EU-Versorgung 64).
Graphit: Unverzichtbar für Batterieanoden. Über 90% Abhängigkeit von China.6
Kupfer: Weit verbreitet in allen elektrischen Anwendungen. Importe von Erzen/Konzentraten aus Peru, Chile, Brasilien; raffiniertes Kupfer aus Russland (vor dem Krieg bedeutend), Polen, Finnland.14 China ist eine Schlüsselquelle für kupferhaltige Produkte.14
Titan: Wichtig für Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung. Hohe Importabhängigkeit, Russland und Kasachstan sind für hochwertiges Titan von Bedeutung.6
Die Risiken umfassen Versorgungsunterbrechungen aufgrund geopolitischer Spannungen, Exportbeschränkungen durch dominante Lieferanten (z.B. China), hohe Preisvolatilität sowie ethische und ökologische Bedenken in den Herkunftsländern.6Tabelle 2: Deutschlands wichtigste kritische Rohstoffimporte: Hauptanwendungen, Hauptquellen und bewertetes Versorgungsrisiko
China (98-99% der EU-Versorgung für verarbeitete SEE 64)
Hoch (Monopolstellung Chinas bei Verarbeitung, geopolitische Risiken, frühere Exportbeschränkungen 15)
Lithium
Batterien für E-Autos, Energiespeicher, Elektronik
Chile, Argentinien (Carbonat); Australien (Erz); China (verarbeitete Produkte, 50% der dt. Importe 2024 15)
Mittel bis Hoch (Konzentrierte Förderung, China dominiert Verarbeitung, steigende Nachfrage 14)
Graphit (Natur)
Batterieanoden
China (>90% 6)
Hoch (Dominanz Chinas, begrenzte alternative Quellen für Batteriezwecke 6)
Kobalt
Batteriekathoden, Superlegierungen
DR Kongo (Förderung); China (Raffinierung, 70% 66)
Hoch (Hohe Konzentration in politisch instabilen Regionen, ethische Bedenken, China dominiert Raffination 66)
Magnesium/Gallium/Germanium
Leichtbau, Halbleiter, Optik
China (dominant für alle drei, z.B. Ga/Ge Exportkontrollen 15)
Hoch (Starke Abhängigkeit von China, das bereits Exportkontrollen als politisches Mittel eingesetzt hat 15)
Diese Rohstoffe sind grundlegend für Deutschlands wichtigste Exportindustrien und seine Ziele der grünen und digitalen Transformation. Die Identifizierung der kritischsten Rohstoffe, ihrer Verwendungszwecke, der dominanten Lieferanten (oft China) und der damit verbundenen Risiken zeichnet ein klares Bild spezifischer Schwachstellen. Diese Tabelle quantifiziert und spezifiziert diese Engpässe, macht das abstrakte Konzept der „Abhängigkeit“ konkret und hebt Bereiche für strategisches Handeln (Diversifizierung, Recycling, F&E für Substitute) hervor.
Energiesicherheit: Die Transformation befeuern Deutschland weist eine hohe Gesamtenergieimportabhängigkeit auf, die laut Eurostat für 2023 bei etwa 58% lag 68, obwohl nationale Berechnungen (AG Energiebilanzen) aufgrund methodischer Unterschiede bei der Kernenergie höhere Werte (71% im Jahr 2021) ausweisen.68 Etwa 77% des Primärenergieverbrauchs im Jahr 2023 stammten aus fossilen Brennstoffen.16 Das BMWK bezifferte die Importquoten für 2023 bei Erdgas auf 95%, bei Mineralöl auf 98% und bei Steinkohle auf 100%.7 Nach dem Krieg in der Ukraine hat Deutschland seine Abhängigkeit von russischem Gas erheblich reduziert. Im Jahr 2024 waren Norwegen (48%), die Niederlande (25%) und Belgien (18%) die größten Pipeline-Gaslieferanten. LNG-Importe, auch über neue deutsche Terminals, machten 2024 8% der Importe aus.7 Bei den Ölimporten war Russland ein Hauptlieferant (31,5% im Jahr 2019 71; 34,1% im Jahr 2021 16). Nach dem Krieg in der Ukraine sind Diversifizierungsbemühungen im Gange. Weitere wichtige Lieferanten waren Norwegen, Großbritannien, die USA, Kasachstan, Libyen und die Niederlande.16 IEA-Daten für 2023 zeigen, dass Öl 34% des Gesamtenergieangebots ausmachte.72 Deutschlands Rohölimporte beliefen sich 2023 auf 1.557.917 Barrel/Tag.74 Steinkohle wird seit der Einstellung des heimischen Bergbaus im Jahr 2018 zu 100% importiert.16 Russland war ein Schlüssellieferant (45,4% im Jahr 2020 16; ca. 50% im Jahr 2021, fiel auf 29% im Jahr 2022 75). Andere wichtige Quellen sind die USA, Kolumbien, Australien, Südafrika und Polen.16 Braunkohle wird im Inland abgebaut.16 IEA-Daten für 2023 zeigen, dass Kohle 17,6-17,7% des Gesamtenergieangebots ausmachte.72 Die Importpreise für Steinkohle sanken 2024.77 Im Strombereich ist Deutschland Teil des integrierten europäischen Strommarktes. In den Jahren 2023 und 2024 war Deutschland Nettoimporteur von Strom, hauptsächlich aus Dänemark, Norwegen, Schweden und Frankreich, oft aufgrund niedrigerer Preise in den Nachbarländern.78 Zu den Herausforderungen zählen Preisvolatilität, Versorgungssicherheit bei fossilen Brennstoffen, Infrastrukturbedarf für erneuerbare Energien und Wasserstoff sowie die geopolitischen Implikationen von Energiepartnerschaften.7 Tabelle 3: Deutschlands Energieimportprofil: Hauptquellen für Öl, Gas und Steinkohle (2023/2024)
Energieträger
Gesamtimportvolumen/-wert (2023/2024)
Top 3-5 Lieferländer (% Anteil)
Rohöl
1.557.917 Barrel/Tag (2023) 74
2021: Russland (34,1%), USA (12,5%), Kasachstan (9,8%), Norwegen (9,6%).16Post-2022 Daten zeigen Diversifizierung, genaue Anteile für 2023/24 sind noch in Konsolidierung, aber Norwegen, USA, Kasachstan bleiben wichtig.
2022: Russland (29%), USA (21%), Kolumbien (16%), Australien (14%).75Russland-Anteil seitdem weiter reduziert.
Energie ist ein fundamentaler Input für die gesamte Wirtschaft und ein wichtiger geopolitischer Hebel. Das Verständnis der aktuellen Importstruktur für wichtige fossile Brennstoffe ist entscheidend für die Bewertung der Resilienz. Diese Tabelle zeigt deutlich den Wandel weg von russischem Gas und hebt aktuelle Schlüsselabhängigkeiten bei Öl und Kohle hervor, was den Kontext für Diskussionen über Energiewende, Diversifizierungsstrategien und damit verbundene geopolitische Risiken liefert.
Technologische Wertschöpfungsketten: Von Halbleitern bis Software Eine hohe Abhängigkeit besteht bei Importen von Halbleitern, insbesondere bei fortschrittlichen Chips.6 Europa produziert nur etwa 10% der weltweiten Chips, verbraucht aber rund 20%.6 Es bestehen Schlüsselabhängigkeiten von den USA beim Design und von China bei bestimmten Rohstoffen, Prozesschemikalien sowie Montage und Verpackung.6 Bemühungen zur Steigerung der EU-Produktion durch den Chips Act und IPCEIs sind im Gange.35 Die deutsche Automobilindustrie ist stark von reifen Knoten abhängig, zunehmend aber auch von fortschrittlichen Knoten.83 Bei Software und digitalen Dienstleistungen besteht eine erhebliche Abhängigkeit von US-Anbietern bei Betriebssystemen, Cloud-Infrastruktur und Unternehmenssoftware.58 China ist ebenfalls eine wachsende Quelle für digitale Technologien und Dienstleistungen.58 90% der deutschen Unternehmen geben an, von Importen digitaler Technologien abhängig zu sein, davon 81% von US-Digitalimporten.58 Softwareanwendungen machen 75% dieser Importe aus.58 Obwohl Deutschland ein führender Exporteur von Produktionsanlagen/Maschinenbau ist, ist seine eigene Fertigung, einschließlich Hightech-Sektoren, auf spezialisierte ausländische digitale Ausrüstung (66% der Unternehmen 58) und Komponenten angewiesen. Die deutsche Robotik- und Automatisierungsindustrie selbst zeigt eine Abhängigkeit vom Automobilsektor und steht vor Wettbewerbsherausforderungen.49 Spezifische sektorale Technologieabhängigkeiten:
Automobilindustrie: Halbleiter (kritisch 83), Software für Fahrzeuge und autonomes Fahren (zunehmend wichtig 12), Batteriezellen und -materialien.
Chemie: Prozesssteuerungssoftware, Spezialkatalysatoren, digitale Werkzeuge für F&E und Lieferkettenmanagement.11 Mögliche Abhängigkeiten von Vorprodukten für Spezialchemikalien.15
Medizintechnik: Elektronikkomponenten, Spezialkunststoffe/-materialien, Software für Geräte und Diagnostik.89 Lieferketten sind komplex und stehen unter Druck.93
Technologische Abhängigkeiten sind nicht isoliert, sondern wirken verstärkend. Beispielsweise wird die Abhängigkeit des Automobilsektors von Halbleitern 83 durch die eigenen Abhängigkeiten der Halbleiterindustrie von spezialisierten Fertigungsanlagen (z.B. ASML in den Niederlanden, mit deutschen Komponenten 35), spezifischen Chemikalien und Rohstoffen (oft aus China 6) und Design-Werkzeugen (oft US-basiert 6) potenziert. Eine Störung in einem Teil dieser erweiterten Kette kann kaskadierende Auswirkungen auf die deutsche Endproduktherstellung haben. Dies verdeutlicht eine vielschichtige Anfälligkeit, die Initiativen zur technologischen Souveränität umfassend adressieren müssen, nicht nur auf der Ebene des Endprodukts oder der Komponente. Deutschlands technologische Abhängigkeit betrifft also nicht nur den direkten Import einer Komponente, sondern die Stabilität und Zugänglichkeit der gesamten vorgelagerten Wertschöpfungskette für diese Komponente. Dies macht das Erreichen von „Souveränität“ außerordentlich komplex.
Ausländische Direktinvestitionen (ADI): Ströme und Verflechtungen
Deutsche ADI im Ausland (ausgehend) beliefen sich Ende 2023 auf 1.701 Mrd. EUR (primär) / 1.618 Mrd. EUR (konsolidiert). Die Hälfte davon verblieb in Europa (814 Mrd. EUR konsolidiert, davon 618 Mrd. EUR in der EU). Es folgten Amerika mit 530 Mrd. EUR und Asien mit 235 Mrd. EUR. Schlüsselsektoren für ausgehende ADI sind das verarbeitende Gewerbe (555 Mrd. EUR) und Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (427 Mrd. EUR).94 Die USA sind ein wichtiges Zielland, und auch China war bedeutend, obwohl jüngste Trends Vorsicht signalisieren.42
ADI in Deutschland (eingehend) beliefen sich Ende 2023 auf 1.020 Mrd. EUR (primär) / 726 Mrd. EUR (konsolidiert). Europa ist die dominierende Quelle (76% konsolidiert, 554 Mrd. EUR, davon 432 Mrd. EUR aus der EU). Amerika: 106 Mrd. EUR, Asien: 60 Mrd. EUR. Wichtige Zielsektoren für eingehende ADI sind Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (263 Mrd. EUR konsolidiert) und das verarbeitende Gewerbe (163 Mrd. EUR).94 Das wichtigste ultimative Investorenland sind die USA (164 Mrd. EUR), während traditionelle Holding-Standorte wie die Niederlande und Luxemburg in einer konsolidierten Betrachtung an Bedeutung verlieren.96
ADI-Ströme spiegeln langfristige strategische Verpflichtungen wider und können sowohl die Resilienz erhöhen (z.B. durch Diversifizierung von Produktionsstandorten) als auch Abhängigkeiten schaffen (z.B. Abhängigkeit von ausländisch kontrollierter kritischer Infrastruktur oder Technologie in Deutschland). Die vom ifo-Institut erwähnte „China+X“-Strategie 1 deutet auf eine Verlagerung hin zur Diversifizierung der Investitionsziele.
Während ausgehende ADI ein Instrument für deutsche Unternehmen zur Diversifizierung von Lieferketten und zum Marktzugang sein können (was die Resilienz erhöht), können eingehende ADI, insbesondere in strategischen Sektoren oder kritischer Infrastruktur, die technologische Souveränität gefährden, wenn sie zu ausländischer Kontrolle über Schlüsselressourcen oder -technologien führen. Die Verschiebung bei den ultimativen Investorenländern 96, die die Dominanz der USA nach Berücksichtigung von Holdinggesellschaften zeigt, offenbart eine komplexere Eigentümerlandschaft, als es die Primärzahlen vermuten lassen. Dies erfordert eine sorgfältige Prüfung und strategische Überlegung, wer letztendlich wichtige Wirtschaftssegmente in Deutschland kontrolliert und unterstreicht die Notwendigkeit eines robusten ADI-Screening-Mechanismus 98, um die wirtschaftlichen Vorteile der Offenheit mit den strategischen Imperativen der Souveränität und Resilienz in Einklang zu bringen.
Dienstleistungsverkehr: Eine zunehmend wichtige Dimension
Der internationale Handel mit Dienstleistungen gewinnt für Deutschland an Bedeutung.99 Im Jahr 2023 wies Deutschland den höchsten Wert an Dienstleistungsexporten (407 Mrd. EUR) und -importen (470 Mrd. EUR) in der EU auf.100 Deutschland ist generell ein Nettoimporteur von kommerziellen Dienstleistungen.41 Das Defizit im Dienstleistungsverkehr wuchs 2024 auf 74 Mrd. EUR.102
Wichtige Dienstleistungskategorien und Partner:
Reiseverkehr: Hauptverursacher des Defizits; die Ausgaben deutscher Touristen im Ausland übersteigen die Einnahmen durch ausländische Touristen in Deutschland bei weitem. Spanien, Österreich und Italien sind wichtige Reiseziele.99
Unternehmensbezogene Dienstleistungen: Umfassen F&E, Beratung, technische Dienstleistungen. Dies ist eine breite und wichtige Kategorie.
Partnerländer: Im gesamten Dienstleistungsverkehr sind die USA und Großbritannien wichtige Partner. Innerhalb der EU sind Frankreich und die Niederlande von Bedeutung.99 Das Dienstleistungsdefizit gegenüber den USA betrug 2024 rund 3,5 Mrd. EUR.102
Die statistische Erfassung des Dienstleistungsverkehrs ist komplexer als die des Warenverkehrs.99
Während Abhängigkeiten im Warenhandel oft im Fokus stehen, werden Abhängigkeiten bei Dienstleistungen – insbesondere in Bereichen wie Datenverarbeitung, Cloud-Dienste (oft US-dominiert 58), spezialisierte F&E und geistige Eigentumsrechte – strategisch immer kritischer. Eine Unterbrechung dieser „unsichtbaren“ Lieferketten oder ein eingeschränkter Zugang zu wichtigen internationalen Dienstleistern könnte die deutsche Innovation und Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigen, selbst wenn die physischen Warenströme intakt bleiben. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass technologische Souveränität auch kritische digitale und wissensbasierte Dienstleistungen umfassen muss. Der Zugang zu IKT-Dienstleistungen, Software und Cloud-Diensten, bei denen US-Unternehmen oft weltweit führend sind 58, ist entscheidend für die Digitalisierung der deutschen Industrie (Industrie 4.0) und für F&E in allen Sektoren. Sollten geopolitische Spannungen zu Beschränkungen des Datenverkehrs oder des Zugangs zu diesen Diensten führen (z.B. Bedenken hinsichtlich des US CLOUD Act 103), könnten deutsche Unternehmen erhebliche operative Störungen oder einen Verlust an Innovationsfähigkeit erleiden. Diese „weiche“ Abhängigkeit ist weniger sichtbar als die Abhängigkeit von physischen Rohstoffen, kann aber ebenso schädlich sein. Daher müssen Strategien für Resilienz und technologische Souveränität über Hardware oder physische Güter hinausgehen und den Zugang zu kritischen digitalen und wissensintensiven Dienstleistungen sicherstellen oder Alternativen dafür entwickeln, wie es Initiativen wie GAIA-X 104 und der Fokus auf souveräne Cloud-Plattformen 27 widerspiegeln.
III. Geopolitische Gegenwinde: Risiken und Rivalitäten am Horizont bis 2035 meistern
Die sich wandelnde Weltordnung: Auswirkungen der Rivalität USA-China, regionaler Konflikte und des Handelsprotektionismus
Die systemische Rivalität zwischen den USA und China ist ein prägendes Merkmal der aktuellen geopolitischen Landschaft und umfasst wirtschaftliche, technologische, sicherheitspolitische und ideologische Dimensionen.3 Deutschland und die EU befinden sich inmitten dieser Rivalität, sehen sich dem Druck ausgesetzt, sich zu positionieren 106, und streben nach „strategischer Autonomie“ oder einem „dritten Weg“.108 Diese Rivalität befeuert den Technologiewettbewerb (z.B. Halbleiter, KI, 5G), Handelsstreitigkeiten und die Risiken einer wirtschaftlichen Entkopplung oder eines „De-Risking“.1
Regionale Konflikte und Instabilität:
Der Krieg in der Ukraine hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Energiesicherheit (insbesondere Gas für Deutschland 7), Lebensmittelpreise, Lieferketten und hat eine Zeitenwende in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgelöst, einschließlich erhöhter Verteidigungsausgaben.112 Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht absehbar.112
Spannungen im Indo-Pazifik (insb. Taiwanstraße): Ein potenzieller Konflikt hier hätte katastrophale globale wirtschaftliche Folgen, die die Auswirkungen des Ukraine-Krieges oder von COVID-19 in den Schatten stellen würden, aufgrund der zentralen Bedeutung der Region für den globalen Handel und die Halbleiterfertigung (TSMC in Taiwan).115 Deutschland wickelt über 20% seines Handels im Indo-Pazifik ab.116 Die deutsche Marinepräsenz signalisiert ein Bekenntnis zu freien Schifffahrtswegen.115
Instabilität im Nahen Osten: Obwohl die direkte Kreditexposition deutscher Banken begrenzt sein mag, sind breitere Auswirkungen auf Energiepreise und globale Handelsrouten möglich.117
Der Aufstieg des Handelsprotektionismus und die „Verwaffnung der Interdependenz“: Die zunehmende Anwendung von Zöllen (z.B. potenzielle US-Zölle 42), Exportkontrollen (z.B. China bei kritischen Rohstoffen 15), Subventionen (z.B. US IRA 15) und Sanktionen fragmentieren das globale Handelssystem und machen wirtschaftliche Interdependenz zu einer potenziellen Schwachstelle.3 Dies stellt das exportorientierte Modell Deutschlands in Frage.
Die identifizierten geopolitischen Risiken sind keine isolierten Ereignisse, sondern Bestandteile einer „Polykrise“, deren Wechselwirkungen sich verstärkende und oft unvorhersehbare Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben. Beispielsweise verschärfte der Ukraine-Krieg die Volatilität der Energiepreise, was in Kombination mit den technologischen Spannungen zwischen den USA und China, die die Halbleiterversorgung beeinträchtigen, einen doppelten Schock für die deutsche Industrie darstellt. Dies erfordert einen Wandel von der Minderung einzelner Risiken hin zu systemischen Resilienzstrategien. Deutschland steht vor multiplen, unterschiedlichen geopolitischen Bedrohungen, die sich gegenseitig beeinflussen können. Die kumulative Wirkung dieser interagierenden Risiken ist größer als die Summe ihrer Einzeleffekte. Dieses Umfeld einer „Polykrise“ bedeutet, dass deutsche Unternehmen und politische Entscheidungsträger Risiken nicht isoliert angehen können. Strategien müssen ganzheitlich sein und kaskadierende Effekte sowie das Potenzial für gleichzeitige Schocks in verschiedenen Bereichen berücksichtigen.
Gefährdete Lebensadern: Wie geopolitische Instabilität deutsche Lieferketten und den Marktzugang bedroht
Geopolitische Ereignisse wirken sich direkt auf die Verfügbarkeit und die Kosten kritischer Vorprodukte aus. Beispiele hierfür sind Halbleiterengpässe, die durch die Spannungen zwischen den USA und China sowie COVID-19 verschärft wurden 6, und potenzielle Unterbrechungen der Rohstoffströme aus politisch instabilen Regionen oder Ländern, die Exportkontrollen verhängen (z.B. China bei Seltenen Erden 6). Die Stabilität der Schifffahrtswege, insbesondere im Indo-Pazifik, ist ebenfalls ein Anlass zur Sorge.115
Protektionistische Maßnahmen, Sanktionen und Vergeltungszölle können den Zugang deutscher Unternehmen zu wichtigen Exportmärkten (z.B. USA, China) einschränken oder die Geschäftskosten dort erhöhen, was sich auf Exportvolumina und Rentabilität auswirkt.1 Politische Instabilität in Partnerländern kann auch zu Marktzusammenbrüchen oder ungünstigen Investitionsbedingungen führen.127
Geopolitische Instabilität führt zu höheren Versicherungskosten, logistischen Herausforderungen und der Notwendigkeit für Unternehmen, in die Diversifizierung von Lieferketten zu investieren („China+X“ 1, Nearshoring, Friendshoring 1), was teuer und komplex sein kann. Politische Unsicherheit selbst dämpft Investitionen.119
Der traditionelle deutsche außenpolitische Grundsatz „Wandel durch Handel“, der davon ausging, dass wirtschaftliche Integration zu politischer Konvergenz und Stabilität in Partnerländern (wie China und Russland) führen würde, wurde durch jüngste geopolitische Ereignisse stark in Frage gestellt. Diese Erosion des Vertrauens und der Aufstieg systemischer Rivalität bedeuten, dass der Marktzugang zunehmend von geopolitischer Ausrichtung und nicht nur von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit abhängt. Dies zwingt deutsche Unternehmen, sich in einem wesentlich politisierteren globalen Markt zu bewegen. Deutschlands wirtschaftliche Expansion nach dem Kalten Krieg basierte teilweise auf der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen politischen Systemen. Ereignisse wie die russische Aggression in der Ukraine und Chinas assertivere Außen- und Innenpolitik haben diese Annahme untergraben.3 Großmächte (USA, China) setzen wirtschaftliche Instrumente zunehmend für geopolitische Zwecke ein.105 Dies bedeutet, dass der Zugang zu Märkten oder kritischen Gütern aufgrund politischer Erwägungen eingeschränkt werden kann. Deutsche Unternehmen, die stark von Exporten in diverse Märkte, einschließlich systemischer Rivalen, abhängig sind 1, sehen sich nun einer Landschaft gegenüber, in der rein wirtschaftliche Kalkulationen nicht ausreichen. Sie müssen geopolitische Ausrichtung, Menschenrechtsaspekte 21 und das Risiko, ins Kreuzfeuer zu geraten, berücksichtigen.
Klimawandel: Der unterschätzte geopolitische Risikomultiplikator
Der Klimawandel überschneidet sich mit bestehenden geopolitischen Herausforderungen und verschärft diese, darunter Migration, Ressourcenkonflikte (Wasser, Ackerland), Gesundheitskrisen und Unterbrechungen von Lieferketten durch extreme Wetterereignisse.7
Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und Lieferketten umfassen die Störung von Agrarimporten und der Ernährungssicherheit, Schäden an kritischer Infrastruktur (Häfen, Transportwege) weltweit und im Inland 7, erhöhte Kosten für Unternehmen durch Anpassungsmaßnahmen und CO2-Bepreisungsmechanismen (z.B. EU ETS II, CBAM 132) sowie Verschiebungen der Ressourcenverfügbarkeit und Produktionskapazitäten in wichtigen Partnerländern, die vom Klimawandel betroffen sind.
Die Geopolitik der Dekarbonisierung, d.h. der Wettlauf um grüne Technologien, kritische Rohstoffe für die Energiewende (Lithium, Kobalt, Seltene Erden) und der Wettbewerb um die Versorgung mit grünem Wasserstoff, kann neue geopolitische Abhängigkeiten und Rivalitäten schaffen.11
Die zunehmende Häufigkeit und Schwere klimabedingter Störungen 131 der Infrastruktur, Landwirtschaft und Produktion in verschiedenen Teilen der Welt stellen die hocheffizienten „Just-in-Time“- und Lean-Manufacturing-Modelle, die vielen deutschen Industrien zugrunde liegen, grundlegend in Frage. Dies erfordert den Aufbau größerer Redundanzen, eine gegebenenfalls stärkere Regionalisierung von Lieferketten und Investitionen in klimaresiliente Beschaffung und Logistik, potenziell auf Kosten einiger der durch die bisherige Globalisierung erzielten Effizienzgewinne. Die deutsche Industrie hat historisch von effizienten, oft globalisierten Just-in-Time-Lieferketten profitiert.9 Der Klimawandel erhöht die Häufigkeit von Störungen, was Just-in-Time-Systeme, die auf vorhersehbare und stabile Flüsse angewiesen sind, sehr anfällig macht.9 Die Notwendigkeit der Klimaanpassung wird ein Umdenken erzwingen. Dies könnte die Haltung größerer Lagerbestände, die Diversifizierung von Lieferantenstandorten in klimasicherere Regionen oder Investitionen in die Klimaresilienz bestehender Lieferanten beinhalten. Dieser Wandel impliziert eine Abkehr von der reinen Kostenoptimierung hin zu einem Modell, das Robustheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaschocks priorisiert.
Die Zukunft gestalten: Deutschlands Strategie für technologische Führung
Der nationale und europäische Fahrplan: Schlüsselinitiativen für technologische Souveränität
Die Bundesregierung betont die technologische Souveränität als entscheidend für zukünftigen Wohlstand, Sicherheit und demokratische Werte.26 Kernelemente sind das Rahmenprogramm „Forschung und Innovation für technologische Souveränität“ (FITS2030) des BMBF 25, das sich auf das Verstehen, Anwenden und Produzieren von Schlüsseltechnologien (KI, Mikroelektronik, Quanten, Biotech etc.), die Förderung von Fachkräften (MINT), die Unterstützung von Start-ups und die Gestaltung internationaler Standards konzentriert.25 Open Source wird als strategischer Schlüssel angesehen.28
Die EU-Strategie zielt darauf ab, technologische Fähigkeiten zu stärken, strategische Abhängigkeiten (insbesondere von den USA und China) zu reduzieren und sicherzustellen, dass Europa autonom handeln und gleichzeitig mit globalen Partnern zusammenarbeiten kann.29 Wichtige Initiativen sind der European Chips Act 35, der AI Act 137, der Data Act, Investitionen in Quantencomputing, Wasserstoff und andere grüne Technologien (European Green Deal 139) sowie die Förderung einer souveränen Cloud-Infrastruktur.27
Wichtige Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEIs):
Mikroelektronik/Halbleiter: Zwei große IPCEIs. Das erste (2018-2024) umfasste 1,75 Mrd. EUR öffentliche Mittel aus 4 Staaten (Deutschland bis zu 1 Mrd. EUR) und zielte auf energieeffiziente Chips, Leistungshalbleiter, Sensoren usw. ab.36 Das zweite IPCEI für Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien (ME/KT, 2023-2029) umfasst 20 EU-Staaten, 66 Projekte, 8,1 Mrd. EUR öffentliche Mittel und soll 13,7 Mrd. EUR private Investitionen mobilisieren. Deutschland trägt ca. 4 Mrd. EUR bei und hat 29 Projekte genehmigt.35 Ziel ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Technologiesouveränität entlang der Wertschöpfungskette.36
Batterien: Zwei IPCEIs wurden aufgelegt, um eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Batteriewertschöpfungskette in Europa aufzubauen, von Rohstoffen bis zum Recycling. Deutschland ist dabei zentral, mit Unternehmen wie Varta, BASF, BMW. Ziele sind u.a. ein globaler Marktanteil von 30% für die EU bis 2030, über 180 GWh Zellproduktionskapazität allein in Deutschland und ca. 10.000 Arbeitsplätze.38 Die Gesamtinvestitionen der Unternehmen in Deutschland über beide IPCEIs belaufen sich auf über 13 Mrd. EUR.39 EU-Ziel: 90% des EU-Batteriebedarfs bis 2030 durch EU-Fertigung decken (550 GWh).38
Erhebliche öffentliche und private Investitionen werden mobilisiert. Dazu gehören das BMBF FITS2030 25, EU-Programme wie Horizont Europa (insgesamt 95,5 Mrd. EUR, >1 Mrd. EUR/Jahr für KI 137), das Digital Europe Programm (insgesamt 7,6 Mrd. EUR 143), die Aufbau- und Resilienzfazilität (25,6 Mrd. EUR für Deutschland, davon 42% für Klima/Energie 139), der Fonds für einen gerechten Übergang (JTF), ELER, InvestEU und das LIFE Programm.139 Hinzu kommen spezifische nationale Förderungen für Quantencomputing (BMBF 1,1 Mrd. EUR bis 2025 144), Biotechnologie (GO-Bio, ZIM, etc. 145) und grüne Technologien.
Das Streben nach technologischer Souveränität, insbesondere die Betonung des Aufbaus heimischer/europäischer Produktionskapazitäten (z.B. für Chips 35, Batterien 39), schafft ein „Souveränitätsparadoxon“. Obwohl darauf abgezielt wird, externe Abhängigkeiten zu reduzieren, sind diese hochkomplexen Technologien oft auf global beschaffte Rohstoffe, spezialisierte Ausrüstung (z.B. ASML für Lithographie 35, das selbst globale Zulieferer hat) und internationale Talente angewiesen. Wahre Souveränität liegt daher möglicherweise weniger in vollständiger Selbstversorgung (Autarkie, die abgelehnt wird 32) als vielmehr darin, eine kritische Masse an heimischer Fähigkeit zu erreichen, um ein unverzichtbarer und gleichberechtigter Partner in diversifizierten globalen Wertschöpfungsketten zu sein, anstatt ein abhängiger. Die Wertschöpfungsketten für diese Technologien sind inhärent global und komplex. Selbst wenn Chips in Europa hergestellt werden, haben die Siliziumwafer, Prozesschemikalien, Design-Werkzeuge und Fertigungsanlagen oft außereuropäische Ursprünge oder kritische außereuropäische Komponenten. Der Versuch einer vollständigen Autarkie wäre unerschwinglich teuer und würde wahrscheinlich technologisch ins Hintertreffen geraten. Das strategische Ziel ist daher wahrscheinlich nicht vollständige Unabhängigkeit, sondern die Entwicklung ausreichender heimischer/EU-Kapazitäten und Expertise, um (a) die Versorgungssicherheit für bestimmte kritische Komponenten zu gewährleisten, (b) ein glaubwürdiger Partner in internationaler F&E und Standardsetzung zu sein und (c) Verhandlungsmacht in globalen Lieferverhandlungen zu haben. Dies bedeutet, dass „Souveränität“ darin besteht, eine Position der Stärke und Widerstandsfähigkeit innerhalb eines notwendigerweise vernetzten globalen Systems zu erreichen, nicht außerhalb davon.
Schlaglicht auf strategische Technologien: Fortschritte und Hürden
Halbleiter:
Ziel: Steigerung des EU-Weltmarktanteils (z.B. von ~10% auf 20% bis 2030 war ein früheres EU-Ziel 35). Stärkung der Design- und Fertigungskapazitäten, insbesondere für fortschrittliche und energieeffiziente Chips.35 Reduzierung der Abhängigkeit von Asien bei der Fertigung und den USA beim Design.6
Hürden: Hohe Investitionskosten, Wettbewerb durch massive US-/asiatische Subventionen 6, Fachkräftemangel, lange Vorlaufzeiten für Fabrikbau, Abhängigkeit von Spezialausrüstung und Rohstoffen.6
Künstliche Intelligenz (KI):
Ziel: Entwicklung vertrauenswürdiger, menschenzentrierter KI im Einklang mit EU-Werten. Förderung von KI-Innovation und -Anwendung in Industrie und öffentlichem Sektor. Aufbau wettbewerbsfähiger KI-Modelle und -Infrastruktur.27
Fortschritte: EU AI Act schafft regulatorischen Rahmen.137 Erhebliche EU-Fördermittel (>1 Mrd. EUR/Jahr über Horizont Europa/Digitales Europa 137). Nationale KI-Strategien (Deutschlands aktualisiert 148). Initiative „KI-Fabriken“.137
Hürden: Wettbewerb durch US-/chinesische Tech-Giganten, die große Sprachmodelle und KI-Plattformen dominieren. Zugang zu großen Datensätzen und Rechenleistung. Fragmentierte europäische KI-Landschaft. Fachkräftemangel. Umsetzung von Forschung in Markterfolg.148
Quantencomputing:
Ziel: Positionierung Europas als globaler Führer in Quantentechnologien. Entwicklung von Quantencomputern, Software und Anwendungen. Förderung eines Quanten-Ökosystems.144
Fortschritte: EU Quantum Flagship Initiative. Deutsche BMBF-Förderung (1,1 Mrd. EUR bis 2025 144) für Demonstrationsaufbauten, Prozessoren und Anwendungsnetzwerke (z.B. DAQC-Projekt 151). Wachsende Startup-Szene.
Hürden: Technologie noch im Frühstadium. Globaler Wettlauf mit intensiven US-/chinesischen Investitionen. Bedarf an hochspezialisierten Talenten. Bau skalierbarer und fehlertoleranter Quantencomputer ist eine massive wissenschaftliche und technische Herausforderung.
Biotechnologie:
Ziel: Stärkung der europäischen Position in der Gesundheits-, Industrie- und Agrarbiotechnologie. Sicherstellung widerstandsfähiger Lieferketten für kritische Medikamente (z.B. APIs 56). Förderung von Innovationen in Bereichen wie Gentherapie, Biopharmazeutika und biobasierten Materialien.11
Fortschritte: Diverse EU- und nationale Förderprogramme (Horizont Europa, GO-Bio, ZIM 145). Starke Forschungsbasis. Cefic beteiligt sich an der Critical Medicines Alliance.56
Hürden: Komplexe regulatorische Wege. Hohe F&E-Kosten und lange Entwicklungszeiten. Wettbewerb aus den USA und zunehmend Asien. Abhängigkeit von importierten APIs und Vorprodukten aus Asien.56
Batterien:
Ziel: Schaffung einer vollständigen, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Batteriewertschöpfungskette in Europa, Reduzierung der Abhängigkeit von asiatischen Importen, insbesondere für Elektrofahrzeuge.38 Ziel: 30% Weltmarktanteil bis 2030.39
Fortschritte: Zwei große IPCEIs gestartet, erhebliche Investitionen in Gigafactories (z.B. Northvolt 124). European Battery Alliance fördert Zusammenarbeit.39 Fortschritte in der F&E für Batterien der nächsten Generation.
Hürden: Sicherung einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Rohstoffversorgung (Lithium, Kobalt, Nickel, Graphit – oft von außerhalb der EU oder von China dominiert 14). Hohe Energiekosten für die Produktion. Schnelle Skalierung der Produktion. Wettbewerb durch etablierte asiatische Akteure und US-IRA-Anreize.38 Entwicklung der Recycling-Infrastruktur.
Ziel: Erreichung der Klimaneutralität (Deutschland bis 2045 44). Führender Anbieter und Nutzer grüner Technologien werden, insbesondere Wasserstoff.153 Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.7
Fortschritte: Nationale Wasserstoffstrategie (Deutschland strebt 10GW Elektrolysekapazität bis 2030 an 153). EU Green Deal.139 Erhebliche Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien. Förderung von Wasserstoffprojekten (IPCEI Wasserstoff).
Hürden: Skalierung der grünen Wasserstoffproduktion zur Deckung der Nachfrage. Aufbau notwendiger Infrastruktur (Pipelines, Importterminals 153). Sicherstellung der Erschwinglichkeit und Wettbewerbsfähigkeit grüner Energie. Sicherung kritischer Rohstoffe für erneuerbare Technologien (Solarmodule, Windturbinen 6). Internationaler Wettbewerb um die Führung bei grünem Wasserstoff. Langsame Genehmigungsverfahren für Infrastruktur.11
Das Streben nach Souveränität in diesen einzelnen Schlüsseltechnologien ist stark miteinander verknüpft. Beispielsweise ist die KI-Entwicklung auf fortschrittliche Halbleiter angewiesen; Batteriemanagementsysteme benötigen hochentwickelte Chips; die Produktion von grünem Wasserstoff erfordert effiziente Elektrolyseure, die von intelligenten Systemen gesteuert werden. Ein Engpass oder das Scheitern bei der Erreichung der Souveränität in einem Bereich (z.B. fortschrittliche Halbleiter) kann Fortschritte und Souveränitätsbestrebungen in anderen Bereichen kritisch untergraben. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines ganzheitlichen statt eines isolierten Ansatzes zur technologischen Souveränität, der systemische Abhängigkeiten zwischen diesen Schlüsseltechnologien berücksichtigt. Eine Schwäche in der Halbleiterlieferkette beispielsweise betrifft nicht nur die Elektronikindustrie; sie hat Welleneffekte auf die KI-Entwicklung, die automobile Transformation, den Einsatz grüner Energie und potenziell sogar auf nationale Sicherheitsanwendungen. Daher müssen Finanzierung und strategische Planung diese Interdependenzen berücksichtigen.
Deutschland 2035: Strategische Wege zu Resilienz, Souveränität und nachhaltigem Wachstum
Szenarien für die Zukunft: Deutschlands Position in einer neukonfigurierten Weltwirtschaft
Die Weltwirtschaftsordnung und die globalen Handelsströme unterliegen bis 2035 voraussichtlich erheblichen Veränderungen, getrieben durch geopolitische Neuausrichtungen, technologische Disruptionen und den Klimawandel. Deutschland und die EU müssen ihre Rolle in diesem dynamischen Umfeld aktiv gestalten.
Szenario 1: Fragmentierte Welt mit regionalen Blöcken: Anhaltende US-China-Rivalität und zunehmender Protektionismus könnten zu einer stärkeren Regionalisierung von Handel und Investitionen führen.1 Deutschland und die EU müssten ihre Binnenmarktintegration vertiefen und strategische Partnerschaften mit gleichgesinnten Regionen ausbauen (z.B. „Friend-Shoring“). Die Abhängigkeit von einzelnen dominanten Akteuren (wie China für bestimmte Rohstoffe) würde ein noch größeres Risiko darstellen. Die Kosten der Deglobalisierung wären für Deutschland erheblich.1 Die EU müsste ihre wirtschaftliche und technologische Souveränität beschleunigt vorantreiben, um in einem solchen Szenario bestehen zu können.121 Prognosen deuten darauf hin, dass selbst eine vorübergehende Pause bei Zöllen die globale Unsicherheit nicht wesentlich verringert, wenn die zugrundeliegenden Spannungen bestehen bleiben.155
Szenario 2: Re-Globalisierung mit neuen Regeln: Anstatt einer vollständigen Deglobalisierung könnte eine Phase der „Re-Globalisierung“ eintreten, in der internationale Zusammenarbeit neu definiert wird – stärker fokussiert auf Resilienz, Nachhaltigkeit und strategische Interessen.17 Multilaterale Institutionen könnten reformiert oder durch plurilaterale Abkommen ergänzt werden. Deutschland und die EU könnten hier eine führende Rolle bei der Gestaltung fairer und nachhaltiger globaler Handelsregeln spielen und ihre Stärken in Hochtechnologie und grünen Technologien nutzen.22 Die OECD-Initiative „Global Scenarios 2035“ deutet auf mögliche Welten hin, in denen trotz Herausforderungen multilaterale Kooperation bestehen bleibt, wenn auch in veränderter Form („Multitrack World“, „Reluctant International Order“).156
Szenario 3: Technologisch geteilte Welt: Der Wettbewerb um technologische Vorherrschaft (KI, Quantencomputing, Biotechnologie) könnte zu einer stärkeren Abgrenzung technologischer Sphären führen, z.B. einer US-dominierten und einer China-dominierten Sphäre.105 Deutschland und die EU müssten erhebliche Anstrengungen unternehmen, um eigene technologische Souveränität zu erlangen und nicht zwischen die Fronten zu geraten oder zu einem reinen „Technologie-Nehmer“ zu werden.26 Dies würde massive Investitionen in F&E und den Aufbau eigener Kapazitäten erfordern, wie im European Chips Act oder den KI-Strategien vorgesehen.35 Die Entwicklung des Weltraums als Wirtschaftsraum könnte bis 2035 eine neue Dimension dieses Wettbewerbs eröffnen.158
Wirtschaftliche Projektionen für Deutschland: Unabhängig vom genauen Szenario deuten Prognosen auf ein potenziell verlangsamtes Wirtschaftswachstum für Deutschland bis 2035 hin, wenn keine signifikanten strukturellen Anpassungen erfolgen.4 Demografischer Wandel 44, die Kosten der Dekarbonisierung und der globale Wettbewerbsdruck sind zentrale Herausforderungen. McKinsey schätzt, dass ohne wesentliche Änderungen der Wert der deutschen Wirtschaft bis 2035 nur geringfügig von 12,2 Billionen EUR (2023) auf 12,9 Billionen EUR steigen würde; mit vollem Potenzial jedoch auf 24,5 Billionen EUR.4 Das IW Köln prognostiziert eine Halbierung des Potenzialwachstums auf ca. 0,75% bis 2035 ohne Reformen, sieht aber durch kluge Wirtschaftspolitik Möglichkeiten zur Kompensation.160 Die Europäische Kommission sieht durch den neuen Infrastrukturfonds Potenzial für ein um 1,25% höheres BIP bis 2029 und 3,25% bis 2035 im Vergleich zur Baseline, wenn die Mittel produktiv eingesetzt werden.162
Die Rolle Deutschlands und Europas wird entscheidend davon abhängen, wie proaktiv und kohärent sie auf diese Herausforderungen reagieren. Eine stärkere europäische Integration, insbesondere im Binnenmarkt für Dienstleistungen und Kapital, sowie eine gemeinsame strategische Ausrichtung in der Handels- und Technologiepolitik sind essenziell, um im globalen Kontext bestehen zu können.121
Strategische Imperative für deutsche Unternehmen: Diversifizierung, Innovation und proaktives Risikomanagement
Angesichts der skizzierten geopolitischen Risiken, der sich wandelnden Globalisierungsdynamik und des Strebens nach technologischer Souveränität müssen deutsche Unternehmen ihre Strategien bis 2035 anpassen:
Diversifizierung von Lieferketten und Märkten:
Reduzierung von Abhängigkeiten: Unternehmen sollten ihre Lieferketten auf kritische Abhängigkeiten von einzelnen Ländern (insbesondere China für Rohstoffe und bestimmte Technologien 6) oder Lieferanten überprüfen und aktiv diversifizieren („China+X“-Strategie 1, Multi-Sourcing). Dies kann Nearshoring oder Friendshoring beinhalten, wobei Kosten-Nutzen-Abwägungen entscheidend sind.1
Erschließung neuer Märkte: Neben etablierten Märkten sollten Potenziale in aufstrebenden Wirtschaftsräumen (z.B. ASEAN, Lateinamerika, Afrika 121) stärker exploriert werden, um Marktrisiken zu streuen und neue Wachstumsquellen zu erschließen.
Lokale Partnerschaften stärken: Aufbau und Pflege robuster Beziehungen zu lokalen Partnern in Schlüsselmärkten kann helfen, politische Risiken abzufedern und Marktzugang zu sichern.126
Forcierung von Innovation und technologischer Anpassung:
Investitionen in F&E: Um im globalen Technologiewettlauf bestehen zu können und zur technologischen Souveränität beizutragen, müssen Unternehmen verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren, insbesondere in Schlüsseltechnologien wie KI, Halbleiterdesign, Quantentechnologie, Biotechnologie und grüne Technologien.149
Digitale Transformation: Die konsequente Digitalisierung von Prozessen (Industrie 4.0) und Geschäftsmodellen ist unerlässlich, um Effizienz zu steigern und neue Wertschöpfungspotenziale zu heben.48 Dies schließt die Nutzung von KI-gestützten Analysen für vorausschauende Wartung und Produktionsoptimierung ein.88
Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil: Entwicklung und Implementierung nachhaltiger Produkte und Prozesse (Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz) können nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch neue Marktchancen eröffnen und die Resilienz gegenüber Ressourcenknappheit erhöhen.11
Proaktives und integriertes Risikomanagement:
Geopolitische Risikoanalyse: Unternehmen müssen geopolitische Entwicklungen und deren potenzielle Auswirkungen auf ihre Geschäfte systematisch analysieren und in ihre strategische Planung integrieren. Dies beinhaltet Szenarioplanung und Stresstests für Lieferketten und Marktzugänge.6
Erhöhung der Transparenz in Lieferketten: Nutzung moderner Technologien (digitale Zwillinge, Blockchain) zur Verbesserung der Sichtbarkeit und Rückverfolgbarkeit in komplexen, mehrstufigen Lieferketten, um Störungen frühzeitig zu erkennen.126
Aufbau von Redundanzen und Pufferkapazitäten: Wo kritisch und ökonomisch darstellbar, sollten strategische Lagerbestände für Schlüsselkomponenten aufgebaut und alternative Produktions- oder Beschaffungsrouten vorbereitet werden.83
Cybersicherheit stärken: Angesichts zunehmender Cyberbedrohungen, auch staatlich gesteuerter 117, sind Investitionen in robuste Cybersicherheitssysteme und -prozesse unerlässlich.61
Kooperation und Engagement:
Branchenübergreifende Zusammenarbeit: Kooperation mit anderen Unternehmen, auch branchenübergreifend, zur Bündelung von Einkaufsmacht, Entwicklung gemeinsamer Standards oder zum Aufbau alternativer Lieferketten.83
Dialog mit der Politik: Aktiver Austausch mit politischen Entscheidungsträgern auf nationaler und EU-Ebene, um industriepolitische Rahmenbedingungen mitzugestalten, die Resilienz und technologische Souveränität fördern.22
Internationale Partnerschaften: Beteiligung an und Nutzung von EU-Initiativen und internationalen Kooperationen zur Stärkung der technologischen Basis und zur Erschließung globaler Märkte.31
Die Anpassung an diese neuen Realitäten erfordert eine Abkehr von reiner Kostenoptimierung hin zu einem stärker risikobasierten und strategisch ausgerichteten Management von globalen Verflechtungen. Unternehmen, die Flexibilität, Innovationskraft und ein tiefes Verständnis der geopolitischen und technologischen Dynamiken entwickeln, werden besser positioniert sein, um die Herausforderungen bis 2035 zu meistern und Chancen zu nutzen.
Politikempfehlungen: Förderung einer resilienten, souveränen und wettbewerbsfähigen deutschen Wirtschaft für das nächste Jahrzehnt
Um die deutsche Wirtschaft erfolgreich durch das komplexe Umfeld bis 2035 zu steuern und die Ziele Resilienz, technologische Souveränität und nachhaltiges Wachstum zu erreichen, sind kohärente und proaktive politische Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene erforderlich:
Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz:
Diversifizierungsanreize schaffen: Gezielte Programme zur Unterstützung von KMU bei der Diversifizierung ihrer Lieferketten und Absatzmärkte, z.B. durch verbesserte Exportkreditgarantien für neue Märkte oder Unterstützung bei der Identifizierung alternativer Lieferanten.128
Nationale Rohstoffstrategie ausbauen: Förderung heimischer Rohstoffgewinnung und -verarbeitung (wo ökologisch vertretbar), Aufbau strategischer Rohstoffreserven für kritische Materialien und Intensivierung von Rohstoffpartnerschaften mit verlässlichen Ländern.6 Stärkung der Kreislaufwirtschaft zur Reduzierung der Primärrohstoffnachfrage.34
Resilienz der Energieinfrastruktur sicherstellen: Beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien und der dafür notwendigen Netze und Speicher; Diversifizierung der Energieimporte (z.B. grüner Wasserstoff aus verschiedenen Quellen); Schutz kritischer Energieinfrastruktur vor physischen und Cyber-Bedrohungen.7
Forcierung der technologischen Souveränität:
Strategische Investitionen in Schlüsseltechnologien: Konsequente Umsetzung und bedarfsgerechte Aufstockung von Förderprogrammen für Halbleiter (Chips Act), KI, Quantencomputing, Biotechnologie, Batterietechnologie und grüne Technologien. Sicherstellung, dass Förderungen die gesamte Innovationskette von der Grundlagenforschung bis zur ersten industriellen Anwendung abdecken (IPCEIs als Vorbild 36) und KMU einbeziehen.26
Fachkräfteoffensive starten: Massive Investitionen in MINT-Bildung und Weiterbildung, um den Fachkräftebedarf für Zukunftsindustrien zu decken. Förderung von „Skills Academies“ auf EU-Ebene.26
Innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen: Bürokratieabbau, Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren (insbesondere für Infrastruktur- und Industrieprojekte 11), Stärkung des Wagniskapitalmarktes und Förderung von Start-ups und Ausgründungen.26
Open Source und Standards strategisch nutzen: Förderung von Open-Source-Software und offenen Standards als Mittel zur Reduzierung von Abhängigkeiten und zur Stärkung des digitalen Ökosystems.28 Aktive Mitgestaltung internationaler Normen und Standards.26
Aktive Gestaltung der Re-Globalisierung:
EU-Handelspolitik stärken und strategisch ausrichten: Einsatz für eine ambitionierte und gleichzeitig resiliente EU-Handelspolitik, die auf Diversifizierung, fairen Wettbewerb und strategische Partnerschaften mit wertebasierten Demokratien setzt. Abschluss neuer und Modernisierung bestehender Handelsabkommen.1
Globale Governance mitgestalten: Stärkung multilateraler Institutionen (WTO, OECD, IWF) und aktive deutsche Rolle in globalen Foren (G7, G20) zur Gestaltung internationaler Wirtschafts- und Technologieregeln.22
„Economic Statecraft“ entwickeln: Entwicklung von Instrumenten zur Abwehr wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen und zur Sicherung strategischer Interessen, ohne in reinen Protektionismus zu verfallen. Dies erfordert eine enge Abstimmung innerhalb der EU und mit transatlantischen Partnern.3
Geopolitische Risiken proaktiv managen:
Integriertes Risikomonitoring: Aufbau verbesserter staatlicher Kapazitäten zur Früherkennung und Bewertung geopolitischer Risiken und deren Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und kritische Infrastrukturen.
Stärkung der europäischen Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen: Erhöhung der Verteidigungsausgaben und engere Kooperation in der EU zur Stärkung der europäischen Sicherheitsarchitektur und Handlungsfähigkeit.2
Klimaußenpolitik intensivieren: Klimaschutz und Anpassung als integralen Bestandteil der Außen- und Sicherheitspolitik verstehen und internationale Kooperationen zur Bewältigung der Klimakrise als geopolitischem Risikomultiplikator ausbauen.131
Diese Politikempfehlungen erfordern eine langfristige Vision, erhebliche Investitionen und eine enge Koordination zwischen Bund, Ländern, der EU sowie der Wirtschaft und Wissenschaft. Die Transformation hin zu einer resilienteren, souveräneren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die entschlossenes Handeln erfordert, um Deutschlands Wohlstand und Einfluss in der Welt von 2035 zu sichern.
Die deutsche Wirtschaft steht an einem Scheideweg. Die bis 2035 reichende Perspektive ist geprägt von einer komplexen Gemengelage aus tiefgreifenden geopolitischen Verwerfungen, dem unaufhaltsamen Vormarsch neuer Technologien und der Notwendigkeit, traditionelle Wirtschaftsmodelle grundlegend zu überdenken. Die strategische Tiefenanalyse der deutschen Wirtschaftsverflechtungen hat gezeigt, dass die Konzepte Resilienz, Re-Globalisierung und technologische Souveränität nicht nur akademische Begriffe sind, sondern handlungsleitende Imperative für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland.
Die starke Exportorientierung und tiefe Integration in globale Wertschöpfungsketten, einst Garant für wirtschaftlichen Erfolg, erweisen sich in einer zunehmend fragmentierten und von systemischen Rivalitäten geprägten Welt als potenzielle Achillesferse.1 Kritische Abhängigkeiten bei Rohstoffen, insbesondere von China 6, in der Energieversorgung 7 und bei technologischen Vorprodukten wie Halbleitern und Software 6 sind unübersehbar und erfordern entschlossenes Gegensteuern. Die „Polykrise“, charakterisiert durch das Zusammenspiel verschiedener geopolitischer Risiken wie der US-China-Konflikt, der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Indo-Pazifik, potenziert die Herausforderungen und macht deutlich, dass isolierte Lösungsansätze nicht mehr genügen.105
Die Antwort kann jedoch nicht in einem Rückzug in nationalen Protektionismus liegen. Die Analysen zeigen klar, dass eine De-Globalisierung mit erheblichen Wohlstandsverlusten für Deutschland verbunden wäre.1 Stattdessen weist der Begriff der Re-Globalisierung den Weg: eine intelligentere, strategischere Form der internationalen Verflechtung, die auf Diversifizierung, Partnerschaften mit Werteverbündeten und einer aktiven Mitgestaltung fairer und resilienter globaler Regeln basiert.17 Dies bedeutet, Interdependenzen nicht zu leugnen, sondern sie bewusst zu managen und Risiken zu minimieren.
Parallel dazu ist das Streben nach technologischer Souveränität für Deutschland und Europa von existenzieller Bedeutung.24 Die massiven Investitionen in Schlüsselbereiche wie Halbleiter (European Chips Act 35), Künstliche Intelligenz 137, Batterietechnologie 38 und grüne Technologien 139 sind notwendige Schritte, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können und kritische Abhängigkeiten zu reduzieren. Hierbei offenbart sich jedoch die Komplexität dieser Aufgabe: Technologische Souveränität bedeutet nicht Autarkie, sondern die Fähigkeit, auf Augenhöhe mit globalen Partnern zu agieren und kritische Komponenten und Know-how selbst entwickeln und produzieren zu können, wenn es strategisch geboten ist. Die Interdependenz der Schlüsseltechnologien untereinander erfordert dabei einen holistischen Ansatz.
Für deutsche Unternehmen bedeutet dies, bis 2035 eine tiefgreifende Transformation ihrer Strategien vorzunehmen. Proaktives Risikomanagement, die Diversifizierung von Lieferketten und Absatzmärkten, massive Investitionen in Forschung, Entwicklung und Digitalisierung sowie die Bereitschaft zur Kooperation auf nationaler und europäischer Ebene sind unerlässlich. Die Politik ist gefordert, hierfür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen: durch eine innovationsfreundliche Regulierung, den Abbau von Bürokratie, die Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung und eine kohärente europäische Strategie.
Die Prognosen bis 2035 zeigen, dass Deutschlands Wirtschaftswachstum ohne entschlossenes Handeln unter Druck geraten könnte.4 Doch die Herausforderungen bergen auch Chancen. Durch die konsequente Ausrichtung auf zukunftsfähige Technologien, die Stärkung der eigenen Innovationskraft und eine kluge Positionierung in einer neugeordneten Weltwirtschaft kann Deutschland seine Resilienz erhöhen, seine technologische Handlungsfähigkeit sichern und nachhaltigen Wohlstand für die Zukunft schaffen. Der Weg bis 2035 wird anspruchsvoll, aber mit einer klaren strategischen Vision und der Bereitschaft zum Wandel kann Deutschland seine Position als führende Industrienation behaupten und aktiv mitgestalten.
Die globale Landschaft ist im Wandel. Für Deutschland bedeutet dies eine Neuausrichtung seiner wirtschaftlichen Strategie. Diese Sektion führt in die Schlüsselkonzepte ein, die Deutschlands Kurs bis 2035 bestimmen werden: wirtschaftliche Resilienz, die Dynamik der Re-Globalisierung und das Streben nach technologischer Souveränität. Das Verständnis dieser Begriffe ist fundamental, um die nachfolgenden Analysen zu Deutschlands Verflechtungen, den geopolitischen Risiken und den strategischen Notwendigkeiten einordnen zu können.
Wirtschaftliche Resilienz
Die Fähigkeit, Krisen vorzubeugen, Schocks abzufedern und sich an neue Bedingungen anzupassen. Für Deutschland bedeutet dies, Lieferketten zu sichern, Partnerschaften zu diversifizieren und Schlüsselsektoren zu stabilisieren.
Resilienz ist mehr als nur Wiederherstellung; sie kann auch eine Chance für positive Transformation sein („Voranpreschen“). Eine Kernherausforderung für Deutschlands spezialisierte Industrie ist die Überwindung von Pfadabhängigkeiten, um agile Anpassungen an geopolitische und technologische Schocks zu ermöglichen. Es besteht ein potenzieller Zielkonflikt zwischen aktueller Effizienz und langfristiger Anpassungsfähigkeit.
Re-Globalisierung
Kein Rückzug von globaler Integration, sondern eine Neukonfiguration. Für Deutschland bedeutet dies strategischere Partnerschaften und diversifizierte Handelsbeziehungen, um Risiken zu managen.
Re-Globalisierung ist ein qualitativer Wandel von einer kostenoptimierten zu einer risikoangepassten und strategisch ausgerichteten Globalisierung. Es geht weniger um das Volumen des Handels als um die Qualität und strategische Natur der Handelsbeziehungen, um kritische Abhängigkeiten zu reduzieren, auch wenn dies kurzfristig höhere Kosten bedeuten kann.
Technologische Souveränität
Die Fähigkeit, Schlüsseltechnologien zu verstehen, mitzugestalten und bei Bedarf selbst herzustellen, um Abhängigkeiten zu reduzieren und Handlungsfähigkeit zu wahren.
Ziel ist nicht Autarkie, sondern autonome Handlungsfähigkeit und Kooperation auf Augenhöhe. Eine Spannung besteht zwischen nationalen deutschen Interessen und gesamteuropäischen Prioritäten. Der Erfolg hängt von der Harmonisierung dieser Perspektiven ab, um die Fähigkeiten wichtiger Mitgliedstaaten wie Deutschland tatsächlich zu stärken.
Deutschlands wirtschaftliche Lebensadern: Verflechtungen und Abhängigkeiten
Deutschlands Wohlstand ist eng mit der Weltwirtschaft verknüpft. Diese Sektion beleuchtet die zentralen Exportindustrien, die Deutschlands Stärke ausmachen, sowie die kritischen Importabhängigkeiten bei Rohstoffen, Energie und Technologien. Die Visualisierungen und Daten zeigen auf, wo Deutschland besonders verwundbar ist und wo strategische Anpassungen für mehr Resilienz notwendig sind.
Export-Kraftzentren
Die deutsche Wirtschaft ist stark exportorientiert. Die folgende Grafik zeigt die wichtigsten Exportsektoren und ihre Bedeutung. Die Daten basieren auf Informationen für 2023/2024 und verdeutlichen die Notwendigkeit, diese Sektoren angesichts globaler Veränderungen zukunftsfest zu machen.
Wichtige Märkte (Beispiele):
Kfz & -teile: USA, China (rückl.), EU
Maschinen: USA, EU, China (rückl.)
Chem. Erzeugnisse: EU, USA, Asien
Pharma: USA, EU
Die Abhängigkeitsmatrix: Importe
Deutschland ist in vielen Bereichen auf Importe angewiesen. Die folgenden Abschnitte zeigen kritische Abhängigkeiten bei Rohstoffen, Energie und Technologien.
Kritische Rohstoffe
Viele Schlüsseltechnologien sind von importierten Rohstoffen abhängig, oft mit hoher Konzentration auf wenige Lieferländer wie China. Dies birgt erhebliche Versorgungsrisiken.
Rohstoff
Hauptanwendung
Hauptquelle(n) & Anteil
Versorgungsrisiko
Energiesicherheit
Die Energieversorgung Deutschlands ist stark importabhängig. Die Grafik zeigt die Hauptlieferländer für Schlüsselenergieträger (Daten primär 2021-2024, mit Anpassungen nach Ukraine-Krieg).
Technologische Wertschöpfungsketten
Hohe Abhängigkeiten bestehen bei Halbleitern (Design: USA; Fertigung: Asien; Rohstoffe/Verpackung: China) und Software/Digitaldiensten (US-Anbieter dominieren Cloud, OS, Unternehmenssoftware).
Deutschlands technologische Abhängigkeit ist vielschichtig. Es geht nicht nur um den direkten Import von Komponenten, sondern um die Stabilität der gesamten vorgelagerten Wertschöpfungskette. Eine Störung in einem Teil kann kaskadierende Effekte haben. Das Erreichen von „Souveränität“ ist daher extrem komplex und erfordert einen umfassenden Ansatz, der über die Endproduktherstellung hinausgeht.
Geopolitische Gegenwinde: Risiken und Rivalitäten
Die Weltordnung wandelt sich, und mit ihr nehmen geopolitische Risiken zu. Diese Sektion untersucht, wie die Rivalität zwischen den USA und China, regionale Konflikte, Handelsprotektionismus und der Klimawandel deutsche Lieferketten, den Marktzugang und die allgemeine wirtschaftliche Stabilität bis 2035 bedrohen. Ein Verständnis dieser komplexen Risikolandschaft ist entscheidend für die Entwicklung robuster Gegenstrategien.
Wandelnde Weltordnung
Die systemische Rivalität USA-China prägt die Geopolitik und führt zu Technologiewettbewerb, Handelsstreitigkeiten und dem Risiko wirtschaftlicher Entkopplung („De-Risking“). Deutschland und die EU suchen einen „dritten Weg“. Regionale Konflikte (Ukraine, Indo-Pazifik, Naher Osten) und Handelsprotektionismus verschärfen die Unsicherheit.
Diese Risiken sind Teil einer „Polykrise“ mit sich verstärkenden Wechselwirkungen. Z.B. verschärfte der Ukraine-Krieg Energiepreisvolatilität, kombiniert mit USA-China Tech-Spannungen (Halbleiter), was einen Doppelschock für die deutsche Industrie darstellt. Dies erfordert systemische Resilienzstrategien statt der Minderung einzelner Risiken.
Bedrohte Lieferketten & Marktzugang
Geopolitik beeinflusst Verfügbarkeit und Kosten kritischer Vorprodukte (z.B. Halbleiter, Rohstoffe). Protektionismus und Sanktionen können Exportmärkte einschränken. Dies erfordert Diversifizierung („China+X“, Near-/Friendshoring), was teuer und komplex ist.
Der Grundsatz „Wandel durch Handel“ ist erodiert. Marktzugang hängt zunehmend von geopolitischer Ausrichtung ab. Deutsche Unternehmen müssen in einem politisierten Markt agieren und Risiken wie Menschenrechtsaspekte und das Geraten ins Kreuzfeuer von Sanktionen berücksichtigen.
Klimawandel als Risikomultiplikator
Der Klimawandel verschärft geopolitische Risiken (Migration, Ressourcenkonflikte) und stört Lieferketten durch Extremwetter. Die Geopolitik der Dekarbonisierung (Wettlauf um grüne Technologien, Rohstoffe) schafft neue Abhängigkeiten.
Klimabedingte Störungen stellen „Just-in-Time“-Modelle in Frage. Dies erfordert größere Redundanzen, Regionalisierung von Lieferketten und Investitionen in klimaresiliente Logistik, potenziell auf Kosten bisheriger Effizienzgewinne. Es ist ein Wandel von Kostenoptimierung zu Robustheitspriorisierung.
Die Zukunft gestalten: Deutschlands Strategie für technologische Führung
Technologische Souveränität ist entscheidend für Deutschlands zukünftigen Wohlstand und Sicherheit. Diese Sektion stellt nationale und europäische Initiativen vor und beleuchtet Fortschritte sowie Hürden in strategischen Technologiefeldern wie Halbleiter, KI, Quantencomputing, Biotechnologie, Batterien und grüne Technologien. Es wird deutlich, dass ein ganzheitlicher Ansatz nötig ist, der die Interdependenzen dieser Technologien berücksichtigt.
Das Streben nach Souveränität in diesen Technologien ist komplex. Wahre Souveränität liegt weniger in Autarkie als in der Fähigkeit, ein unverzichtbarer Partner in globalen Wertschöpfungsketten zu sein. Die Technologien sind stark miteinander verknüpft (z.B. KI braucht Halbleiter). Ein Engpass in einem Bereich kann andere kritisch untergraben, was einen ganzheitlichen Ansatz erfordert.
Deutschland 2035: Strategische Wege zu Resilienz und Wachstum
Wie könnte Deutschlands wirtschaftliche Position im Jahr 2035 aussehen, und welche strategischen Weichenstellungen sind heute notwendig? Diese Sektion skizziert mögliche Zukunftsszenarien und leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen für deutsche Unternehmen und die Politik ab. Ziel ist es, proaktive Anpassungen zu fördern, um nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in einer neukonfigurierten Weltwirtschaft zu sichern.
Szenarien für die Zukunft
1. Fragmentierte Welt mit regionalen Blöcken
Anhaltende US-China-Rivalität, Protektionismus. EU müsste Binnenmarkt vertiefen, strategische Partnerschaften ausbauen. Hohe Kosten der Deglobalisierung für Deutschland.
2. Re-Globalisierung mit neuen Regeln
Internationale Kooperation neu definiert: Fokus auf Resilienz, Nachhaltigkeit. EU könnte globale Handelsregeln mitgestalten.
3. Technologisch geteilte Welt
Abgrenzung technologischer Sphären (US vs. China). EU bräuchte massive F&E-Investitionen für eigene Souveränität.
Wirtschaftliche Projektionen: Ohne signifikante Anpassungen potenziell verlangsamtes Wachstum. Demografie, Dekarbonisierung und Wettbewerb sind Herausforderungen. Mit Reformen und Investitionen sind positive Entwicklungen möglich.
Strategische Imperative für deutsche Unternehmen
Diversifizierung: Lieferketten und Märkte („China+X“, neue Märkte erschließen).
Innovation & Anpassung: Investitionen in F&E, digitale Transformation, Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil.
Proaktives Risikomanagement: Geopolitische Analyse, Transparenz in Lieferketten, Redundanzen aufbauen, Cybersicherheit.
Kooperation & Engagement: Branchenübergreifende Zusammenarbeit, Dialog mit Politik, Nutzung von EU-Initiativen.
Politikempfehlungen
Wirtschaftliche Resilienz stärken: Diversifizierungsanreize, nationale Rohstoffstrategie, resiliente Energieinfrastruktur.