Lieferkettengesetz 2.0: Was sich 2025 für deutsche Unternehmen ändert und wie Sie sich vorbereiten

Das Jahr 2025 markiert einen weiteren wichtigen Meilenstein in der unternehmerischen Verantwortung: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), oft als Lieferkettengesetz bezeichnet, tritt in eine neue, verschärfte Phase ein – nennen wir es „Lieferkettengesetz 2.0“. Nachdem die erste Stufe des Gesetzes bereits viele deutsche Unternehmen dazu verpflichtet hat, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten zu verankern, bringt die Novellierung für 2025 signifikante Änderungen mit sich. Diese Neuerungen zielen darauf ab, die Wirksamkeit des Gesetzes zu erhöhen, den Anwendungsbereich zu erweitern und die Transparenz weiter zu steigern. Für deutsche Unternehmen, ob bereits vom LkSG betroffen oder neu im Fokus, bedeutet dies: Es ist höchste Zeit, die eigenen Prozesse zu überprüfen und sich intensiv auf die kommenden Anforderungen vorzubereiten. Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen Änderungen des Lieferkettengesetzes 2.0 und bietet einen praktischen Fahrplan für Ihre Vorbereitung.

Rückblick: Das Fundament – Was das ursprüngliche LkSG forderte

Um die Tragweite der Neuerungen für 2025 zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf die Kernanforderungen des ursprünglichen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hilfreich. Seit seinem Inkrafttreten verpflichtete das LkSG Unternehmen ab einer bestimmten Größe (zunächst ab 3.000, dann ab 1.000 Mitarbeitenden in Deutschland) dazu, in ihren Lieferketten auf die Einhaltung international anerkannter Menschenrechte und bestimmter Umweltstandards hinzuwirken.

Zu den zentralen Sorgfaltspflichten gehörten:

  • Einrichtung eines Risikomanagementsystems: Um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren Zulieferern zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten.
  • Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit: Klare Verantwortlichkeiten für die Überwachung des Risikomanagements.
  • Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen: Sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch bei unmittelbaren Zulieferern.
  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung: Zur Achtung der Menschenrechte.
  • Verankerung von Präventionsmaßnahmen: Im eigenen Geschäftsbereich (z.B. Schulungen, Anpassung von Einkaufspraktiken) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (z.B. vertragliche Zusicherungen, Überprüfung von Verhaltenskodizes).
  • Ergreifen von Abhilfemaßnahmen: Bei festgestellten Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern.
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens: Das es Betroffenen ermöglicht, auf Risiken oder Verletzungen hinzuweisen.
  • Dokumentation und Berichterstattung: Jährliche öffentliche Berichterstattung über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Obwohl der Fokus primär auf dem eigenen Geschäftsbereich und den direkten Zulieferern lag, mussten Unternehmen bei substantiierter Kenntnis von möglichen Verletzungen auch bei mittelbaren Zulieferern tätig werden.

Die Neuerungen im „Lieferkettengesetz 2.0“ – Was ändert sich 2025 konkret?

Mit dem „Lieferkettengesetz 2.0“ werden die Zügel im Jahr 2025 spürbar angezogen. Die (hier für den Artikel angenommenen) Änderungen zielen darauf ab, Lücken zu schließen, die Anforderungen zu präzisieren und die Verbindlichkeit zu erhöhen. Unternehmen müssen sich auf folgende zentrale Neuerungen einstellen:

Erweiterter Anwendungsbereich: Mehr Unternehmen in der Pflicht

Eine der signifikantesten Änderungen betrifft die Größenschwellen für die Anwendbarkeit des Gesetzes. Um eine breitere Wirkung zu erzielen und auch kleinere Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen, die Teil globaler Lieferketten sind, wird der Schwellenwert für die Mitarbeiterzahl voraussichtlich weiter abgesenkt.

  • Mögliche Absenkung: Es wird erwartet, dass Unternehmen bereits ab 500 Mitarbeitenden in Deutschland unter das LkSG 2.0 fallen könnten. Dies würde die Zahl der betroffenen Unternehmen erheblich steigern, insbesondere im Mittelstand.
  • Branchenspezifische Betrachtungen: Es ist ebenfalls denkbar, dass für bestimmte Hochrisikosektoren (z.B. Textil, Elektronik, Rohstoffabbau) unabhängig von der Mitarbeiterzahl spezifische Kriterien für die Anwendbarkeit eingeführt oder verschärft werden.

Verschärfte Sorgfaltspflichten: Tiefergehender Blick in die Kette

Das LkSG 2.0 wird voraussichtlich eine intensivere Auseinandersetzung mit der gesamten Lieferkette fordern, insbesondere im Hinblick auf mittelbare Zulieferer und spezifische Risikobereiche.

  • Verstärkte Pflichten bei mittelbaren Zulieferern: Während bisher eine substantiierte Kenntnis erforderlich war, um bei mittelbaren Zulieferern aktiv zu werden, könnte das LkSG 2.0 anlassunabhängige, risikobasierte Prüfungen auch in tieferen Ebenen der Lieferkette fordern, insbesondere bei identifizierten Hochrisikobereichen.
  • Erweiterung der geschützten Rechtsgüter: Neben den bereits abgedeckten Menschenrechten und Umweltbelangen könnten neue, spezifischere Aspekte hinzukommen. Denkbar ist eine explizitere Nennung und stärkere Gewichtung von Klimaschutzaspekten (z.B. CO2-Emissionen in der Lieferkette) oder der Schutz der Biodiversität. Auch spezifische Arbeitsrechte, wie das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, könnten noch stärker betont werden.
  • Verpflichtende Nutzung spezifischer Risikotools oder -methoden: Um die Vergleichbarkeit und Qualität der Risikoanalysen zu erhöhen, könnten Vorgaben zur Methodik oder zur Nutzung bestimmter Datenbanken (z.B. für Länderrisiken) gemacht werden.

Konkretisierte Berichtspflichten: Mehr Transparenz gefordert

Die Transparenz durch Berichterstattung ist ein Kernstück des LkSG. Mit der Version 2.0 ist mit einer Ausweitung und Detaillierung der Berichtspflichten zu rechnen.

  • Detailliertere Offenlegung: Unternehmen müssen voraussichtlich noch genauer darlegen, wie sie ihre Risikoanalysen durchgeführt haben, welche konkreten Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergriffen wurden und wie deren Wirksamkeit bewertet wird.
  • Einführung von Key Performance Indicators (KPIs): Es könnten verpflichtende KPIs zur Messung der Sorgfaltspflichterfüllung eingeführt werden, um die Fortschritte und die Effektivität der Maßnahmen vergleichbarer zu machen.
  • Verpflichtung zu bestimmten Berichtsstandards oder -formaten: Um die Lesbarkeit und Vergleichbarkeit der Berichte zu verbessern, könnte die Nutzung anerkannter internationaler Rahmenwerke (z.B. UN Guiding Principles Reporting Framework) oder spezifischer digitaler Formate stärker in den Fokus rücken.
  • Verkürzte Berichtsfristen: Eventuell müssen Berichte zukünftig schneller nach Ende des Geschäftsjahres veröffentlicht werden.

Härtere Sanktionen und erweiterte Haftungsrisiken

Um die Einhaltung des Gesetzes sicherzustellen, ist mit einer Verschärfung der Sanktionsmechanismen und einer Diskussion um erweiterte Haftungsmöglichkeiten zu rechnen.

  • Erhöhung der Bußgelder: Die maximalen Bußgelder bei Verstößen könnten angehoben werden, um eine stärkere abschreckende Wirkung zu erzielen. Insbesondere bei wiederholten oder schwerwiegenden Verstößen.
  • Umsatzbezogene Sanktionen: Die Bemessung von Bußgeldern könnte sich noch stärker am weltweiten Umsatz des Unternehmens orientieren.
  • Erleichterte zivilrechtliche Haftung (Diskussionspunkt): Obwohl das ursprüngliche LkSG keine neue zivilrechtliche Haftung begründete, könnte im Rahmen von LkSG 2.0 oder begleitenden europäischen Regelungen (wie der EU-Lieferkettenrichtlinie) die Möglichkeit für Betroffene, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, gestärkt werden. Dies bleibt ein politisch sensibler, aber wichtiger Punkt.
  • Ausschluss von öffentlichen Aufträgen: Unternehmen, die wiederholt oder schwerwiegend gegen das LkSG verstoßen, könnten noch konsequenter von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

 

Die Auswirkungen der Änderungen auf deutsche Unternehmen

Die Novellierung des Lieferkettengesetzes wird zweifellos vielfältige Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen haben.

Herausforderungen, insbesondere für KMUs

Sollte der Schwellenwert für die Anwendbarkeit sinken, stehen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) vor großen Herausforderungen. Der Aufbau und die Pflege eines umfassenden Risikomanagementsystems für Lieferketten sind ressourcenintensiv. KMUs verfügen oft nicht über die gleichen personellen und finanziellen Kapazitäten wie Großkonzerne. Sie benötigen daher praxisnahe Unterstützung, klare Leitfäden und möglicherweise angepasste Anforderungen, um das Gesetz effektiv umsetzen zu können.

Notwendigkeit robusterer Risikomanagementsysteme

Die verschärften Sorgfaltspflichten erfordern von allen Unternehmen eine kritische Überprüfung und gegebenenfalls eine grundlegende Überarbeitung ihrer bestehenden Risikomanagementsysteme. Es reicht nicht mehr, sich nur auf direkte Zulieferer zu konzentrieren. Die Fähigkeit, Risiken auch in tieferen Ebenen der Lieferkette zu identifizieren und zu managen, wird erfolgskritisch. Dies erfordert bessere Daten, fortschrittlichere Analysetools und engere Zusammenarbeit mit den Lieferanten.

Bedeutung von Transparenz und Datenmanagement

Die Erfassung, Verwaltung und Analyse der für das LkSG relevanten Daten wird immer komplexer. Unternehmen benötigen effiziente Datenmanagementsysteme, um den Überblick zu behalten und die erweiterten Berichtspflichten erfüllen zu können. Digitale Lösungen und Plattformen zur Lieferkettenkartierung und Risikobewertung werden an Bedeutung gewinnen.

Wettbewerbsvorteile durch proaktive Umsetzung

Trotz der Herausforderungen sollten Unternehmen das LkSG 2.0 nicht nur als Belastung sehen. Eine proaktive und umfassende Umsetzung kann auch zu Wettbewerbsvorteilen führen:

  • Verbesserte Reputation: Unternehmen, die ihre Verantwortung ernst nehmen, stärken ihr Ansehen bei Kunden, Investoren und potenziellen Mitarbeitern.
  • Resilientere Lieferketten: Ein besseres Verständnis der eigenen Lieferkette und der dortigen Risiken hilft, Störungen frühzeitig zu erkennen und die Lieferkette widerstandsfähiger zu gestalten.
  • Stärkere Lieferantenbeziehungen: Eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten kann zu stabileren und partnerschaftlicheren Beziehungen führen.
  • Innovationstreiber: Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsaspekten in der Lieferkette kann Innovationen in Produkten und Prozessen fördern.

 

Vorbereitung auf das „Lieferkettengesetz 2.0“ – Ihr Fahrplan

Angesichts der bevorstehenden Änderungen für 2025 ist eine frühzeitige und systematische Vorbereitung unerlässlich. Die folgenden Schritte können Ihnen als Fahrplan dienen:

1. Detaillierte Analyse der neuen gesetzlichen Anforderungen

Sobald die finalen Details des „Lieferkettengesetz 2.0“ bekannt sind (oder basierend auf den aktuellsten Entwürfen und Ankündigungen), ist eine gründliche Einarbeitung in die spezifischen neuen Pflichten der erste Schritt. Verstehen Sie genau, was sich für Ihr Unternehmen ändert, insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereichs, der Tiefe der Sorgfaltspflichten und der Berichtsanforderungen.

2. Durchführung einer umfassenden Gap-Analyse

Vergleichen Sie Ihre bestehenden Prozesse, Systeme und Richtlinien mit den neuen Anforderungen des LkSG 2.0. Identifizieren Sie Lücken und Bereiche, in denen Anpassungsbedarf besteht. Fragen Sie sich:

  • Sind unsere aktuellen Risikoanalysen ausreichend tiefgehend?
  • Erfassen wir alle relevanten Risikobereiche?
  • Sind unsere Präventions- und Abhilfemaßnahmen effektiv genug, auch bei mittelbaren Zulieferern?
  • Genügt unser Beschwerdemechanismus den neuen Standards?
  • Sind wir in der Lage, die detaillierteren Berichtspflichten zu erfüllen?

3. Anpassung von Verträgen und Lieferantenmanagement

Überprüfen und aktualisieren Sie Ihre Lieferantenverträge und Verhaltenskodizes (Codes of Conduct), um die verschärften Anforderungen des LkSG 2.0 widerzuspiegeln. Entwickeln Sie Strategien für eine intensivere Zusammenarbeit mit Ihren Lieferanten, insbesondere bei der Risikoermittlung und -minimierung in tieferen Kettengliedern. Schulungen und Capacity Building für Ihre Lieferanten können hierbei entscheidend sein.

4. Schulung von Mitarbeitern und Aufbau von internem Know-how

Stellen Sie sicher, dass alle relevanten Mitarbeiter, insbesondere im Einkauf, in der Rechtsabteilung, im Nachhaltigkeitsmanagement und in der Führungsebene, über die neuen Anforderungen umfassend geschult sind. Der Aufbau von internem Fachwissen ist entscheidend für eine erfolgreiche und glaubwürdige Umsetzung. Erwägen Sie die Ernennung eines Menschenrechtsbeauftragten oder die Stärkung der entsprechenden Funktion.

5. Implementierung oder Anpassung von IT-Systemen und Tools

Prüfen Sie, ob Ihre bestehenden IT-Systeme (z.B. ERP-Systeme, Lieferantenmanagement-Software) in der Lage sind, die notwendigen Daten zu erfassen, zu verarbeiten und für die Berichterstattung aufzubereiten. Möglicherweise ist die Investition in spezialisierte Softwarelösungen für das Lieferketten-Risikomanagement und die Nachhaltigkeitsberichterstattung sinnvoll oder notwendig.

6. Intensivierung des Stakeholder-Dialogs und der Kommunikation

Treten Sie in einen proaktiven Dialog mit Ihren Stakeholdern – dazu gehören Investoren, Kunden, NGOs, aber auch die eigenen Mitarbeiter und Lieferanten. Kommunizieren Sie transparent Ihre Bemühungen und Fortschritte bei der Umsetzung des LkSG 2.0. Dies schafft Vertrauen und kann wertvolles Feedback liefern.

Fazit: Lieferkettengesetz 2.0 als Chance für verantwortungsvolles Wirtschaften

Das „Lieferkettengesetz 2.0“ wird die Anforderungen an deutsche Unternehmen im Jahr 2025 zweifellos erhöhen und den Druck zur Übernahme von Verantwortung für globale Lieferketten verstärken. Die Vorbereitung auf diese Neuerungen erfordert Zeit, Ressourcen und ein starkes Engagement der Unternehmensleitung.

Doch neben den Herausforderungen bietet die konsequente Auseinandersetzung mit menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten auch bedeutende Chancen. Unternehmen, die diese Aufgabe proaktiv angehen, können nicht nur rechtliche Risiken minimieren, sondern auch ihre Lieferketten resilienter und ethischer gestalten, ihre Reputation stärken und letztlich einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren globalen Wirtschaft leisten. Sehen Sie das Lieferkettengesetz 2.0 daher nicht nur als regulatorische Pflicht, sondern als Ansporn, Ihr unternehmerisches Handeln noch verantwortungsvoller und zukunftsfähiger auszurichten. Der Zeitpunkt zu handeln ist jetzt.